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Preußisches Gesetz über die Gewerbefreiheit, gezeichnet von Staatskanzler Hardenberg und König Friedrich Wilhelm III. (7. September 1811)

Dieses bedeutende Gesetz spiegelte den dringenden Bedarf des preußischen Staates an einem breiteren Zufluss von Steuereinkünften aus dem kaufmännisch-gewerblichen Sektor wider, und es ergab sich aus Hardenbergs weiter reichenden Finanzreformen aus dem Jahr 1810. Doch mit seiner gründlichen Beseitigung der handwerklichen Zunftmonopole und anderer korporativer Einschränkungen von Handel und Gewerbe (einschließlich staatlich oder korporativ festgelegter Preise) und mit seiner Öffnung dieser Bereiche für alle Unternehmer verwirklichte es zentrale Postulate des aus der Aufklärung hervorgegangenen Liberalismus. Der Text gewährt Einblick in die berufliche und gesellschaftliche Struktur der damaligen Zeit.

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Gesetz über die polizeilichen Verhältnisse der Gewerbe, in Bezug auf das Edikt vom 2ten November 1810 wegen Einführung einer allgemeinen Gewerbesteuer


Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen etc. etc.

Thun kund und fügen hiermit zu wissen, daß Wir nöthig befunden haben, in Verfolg des Edikts vom 2ten November 1810, wegen Einführung einer allgemeinen Gewerbesteuer, folgende nähere und besonders polizeiliche Vorschriften zu erlassen:

1. Die Lösung des Gewerbscheins ändert nichts in der Verpflichtung, Bürger zu werden oder der Gemeine als Mitglied beizutreten und Communallasten zu übernehmen. Gewerbe, welche nach allgemeinen Gesetzen oder örtlichen Statuten nur Bürger oder Gemeineglieder treiben dürfen, können auch auf den Grund des Gewerbscheins nur nach Erlangung des Bürgerrechts oder der Gemeine-Mitgliedschaft betrieben werden. Hat indessen jemand in einer Stadt das Bürgerrecht gewonnen und wird durch Verhältnisse bewogen, sich in einer andern anzusiedeln, so ändert dies zwar nichts in seiner Verpflichtung, auch daselbst Bürger zu werden und zu den Communallasten beizutragen; es sollen indessen einem solchen keine doppelte Kosten zur Last fallen, sondern für das Bürgerrecht an dem neuen Wohnorte nur in so weit ein Nachschuß bezahlt werden, als solches theurer denn an dem Vorhergehenden ist.

2. Wem wegen Bescholtenheit das Recht, Bürger oder Gemeinemitglied zu seyn, gesetzlich versagt wird, der darf auch auf den Grund eines Gewerbscheins kein Gewerbe selbstständig betreiben, dessen Betrieb das Bürgerrecht oder den Beitritt zur Gemeine erfordert.

3. Der Gewerbschein giebt keinem Militairpflichtigen das Recht, vor Aufhebung seiner Verpflichtung zum Kriegsdienste, ein Gewerbe selbstständig zu betreiben, zu dessen Betriebe für eigene Rechnung er nach der Militairverfassung nicht gelassen werden darf.

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