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Erlass Friedrich Wilhelms I. (des „Soldatenkönigs”) an das pommersche Commissariat zur Erstattung wahrheitsgetreuer Berichte (20. Juli 1722)

Ein Schwachpunkt aller von mächtigen (oder scheinbar mächtigen) Einzelpersonen angeführten politischen Systeme ist das Versagen untergeordneter Beamten, dem politischen Zentrum über unerwünschte Zustände auf lokaler Ebene Bericht zu erstatten. Hier demonstriert der preußische König seine Kenntnis üblicher Missbräuche durch zivile und militärische Beamte und verlangt schonungslose Offenheit und ungeschminkte Informationen.

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Wir haben eine Zeit her verschiedentlich und mit sonderbarem Mißfallen angemerket, daß in denen an Uns kommenden Berichten, bevorab in Sachen, so Unserer Länder und der Städte Angelegenheiten Betreffen, oftermalen ungegründete, wenigstens nicht mit der dazu in fleißiger und reifer Examinierung der dabei vorgefallenen wahren Umstände erforderten Sorgfalt mit einlaufende Dinge angeführet werden, die nachher und bei näherer Einsehung und Untersuchung entweder sich gar nicht oder doch nicht dergestalt, als davon referiret worden, beschaffen gefunden, so daß Wir endlich nicht gewußt, was Wir davon glauben oder nicht glauben sollen. Wann Wir nun dergleichen ungebührliches und wider die Obliegenheit und Pflicht Unserer Bedienten allerdings laufendes Beginnen vors künftige auf alle Weise abgestellet wissen und keine Berichte, als die auf richtigem und wahrhaftem Fundament, auch reifer und vorher angestelleten Untersuchung aller und jeder dabei sich ereignenden Circumstantien beruhen, folglich so, wie die Referenten es vor Gott, Uns und ihrem Gewissen zu verantworten sich getrauen, bei Vermeidung Unserer höchsten Ungnade und ernstlichen scharfen Ressentiments wider diejenige, so diesem Unserem ausdrücklichen Befehle nicht gehörig nachkommen, sondern noch ferner continuiren möchten, solche ihre Berichte nur obenhin abzustatten, in der Meinung, ob thäten sie ihrem Amt ein völliges Genügen, wann sie nur etwas abzugeben haben, es mag solches gegründet sein oder nicht gewärtigen wollen: Welches jedoch dahin nicht gedeutet werden muß, als wann Unsere Collegia und Bedienten dadurch abgeschrecket werden sollen, den wahren Umstand der Sachen Uns zu verschweigen und solchen vielmehr gleichsam zu unterdrücken, sondern Unsere allergnädigste Intention ist, wie bisher, so auch ferner dahin gerichtet, daß Uns von allem, was auf dem Lande und in den Städten vorgehet und wie sichs in der That damit verhält, von Zeit zu Zeit völlige Information gegeben, insonderheit wann bei denen Contribuenten auf dem Lande und Accisen in Städten ein Ausfall oder auch im Commercio ein Verfall sich ereignet, imgleichen, so ofte in Werbungs- und Einquartierungssachen wirklich verübte, und nicht etwa auf Hörensagen, sondern auf reelle und erweisliche Umstände sich gründende Excesse vorfallen, und worin von denen commandirenden Officierern, bei welchen die Klagten verordneter Maßen zuerst angebracht werden müssen, keine Remedirung erfolgen möchte, alsdann von allen solchen und auch andern dergleichen dahin gehörenden Sachen ausführliche Relationes an Uns, und zwar zu Unserer eigenhändigen Erbrechung, die Duplicata aber davon an Unser Generalkriegescommissariat jedesmal gesandt werden sollen: als haben Wir Euch solche Unsere wohlbedächtige Willensmeinung hierdurch bekannt machen wollen, mit Befehl, Euch nicht allein vor Euch selbst darnach zu achten und derselben Euch hinkünftig gemäß zu bezeigen, sondern auch denen Magisträten und allen, denen es sonst angehet, es kund zu thun, damit ein jeder sich vor Schaden und ohnfehlbarer Strafe hüten könne.



Quelle: Acta Borussica. Deutsche Akademie der Wissenschaften, Berlin, 1892 ff., Band 3, S. 267.

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