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Veit Ludwig von Seckendorff, Auszüge aus Teutscher Fürsten-Staat (1656)

Das deutsche Standardwerk zur bürokratischen Verwaltungspraxis, Teutscher Fürsten-Staat, erlebte bis 1754 zwölf Auflagen. Der Autor Veit Ludwig von Seckendorff machte sich erstmals einen Namen im Dienste Herzog Ernsts I. („des Frommen“) von Sachsen-Gotha. In diesem Werk beabsichtigte er, einen Leitfaden staatlicher Verwaltung vorzulegen, der für „die meisten teutschen fürstenthümer und herrschafften“ Gültigkeit hatte. Seckendorff lehnte fürstlichen Absolutismus ab und pries die Autorität der römisch-deutschen Kaiser und der obersten Reichsgerichte, welche die unbedeutenderen Fürsten bei rechtswidrigen Handlungen durch die mächtigeren anrufen durften. Das Reich war das höhere deutsche Vaterland. Fürstliche Untertanen waren „Freygebohrne“ deren hergebrachte Freiheiten und Gewohnheitsrechte von ihren Fürsten aufrechterhalten werden mussten. Seckendorff nahm an, dass die Prinzen rechtliche und steuerliche Neuerungen mit Ständeversammlungen aushandeln mussten. Unwürdige Herrscher könnten mit dem Schreckgespenst innenpolitischer Revolte und möglichem Regierungswechsel konfrontiert werden, warnte Seckendorff.

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Teutschen Fürsten-Staats Anderer Theil

Von der Regierung und Verfassung eines Landes und Fürstenthums, in geist- und weltlichem Stande

Cap. I. Von der Landes-Fürstlichen Regierung, Hoheit und Botmäßigkeit insgemein

[ . . . ]

§ 1. Wir wissen, Gott lob, in teutschen landen von keiner solchen macht, welche von einem einigen menschen im lande, der sich für den obersten hielte, und die meiste gewalt mit oder ohne recht hätte, über die andern alle, zu seinem nuz und vortheil, nach seinem willen und belieben allein, geführet und ausgeübet würde, wie etwa ein herr über seine leibeigene knechte und mägde zu gebieten pflegt, und ihnen bald dieses, bald jenes, was ihm in seinem hause nutzen bringet, oder worzu er beliebung trägt, anschaffet.

§ 2. Sondern es ist die Landes-fürstliche regierung in denen teutschen fürstenthümern und landen, wie fast in einer jeden rechtmäßig- und wohlbestellten policey, nichts anders, als die oberste und höchste botmäßigkeit des ordentlichen regierenden Landes-Fürsten oder Herrn, welche von ihm über die stände und unterthanen des fürstenthums, auch über das land selbst, und dessen zugehörige sachen, zu erhaltung und behauptung des gemeinen nutzens und wohlwesens, im geist- und weltlichen stande, und zu ertheilung des rechtens gebrauchet und verführet wird.

§ 3. Indem wir aber diese oberste botmäßigkeit der person des Landes-Herrn alleine zuschreiben, und sie dannenhero Landes-fürstlich oder Landes-herrlich nennen, so setzen wir dadurch beyseits alle andere personen in einem lande, die wir vorhero im ersten theil beschrieben haben, ob gleich dieselbe auch mit gewisser herrlichkeit und botmäßigkeit entweder von dem Landes-herrn selbst, und dessen vorfahren, oder auch von andern fremden und auswürdischen obrigkeiten, belehnet und begabet sind, als ferne nehmlich dieselben nach herkommen der lande nicht nur blosse lehenleute oder im lande bezircket, sondern zugleich landsäßig und unterthanen sind: Sintemahl solchenfalls weder einem oder andern insonderheit, wie mächtig und reich er auch wäre, noch denenselben mit einander, dergleichen oberste herrschaft und regierung im lande zukömmet, sondern sie sind gegen dem Landes-herrn ingesamt und insonderheit für unterthanen zu achten.

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