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Parteienlandschaft im Osten (31. August 2005)

Vor dem Hintergrund des erwarteten Erfolgs der Linkspartei/PDS in den bevorstehenden Bundestagswahlen erinnert der Berichterstatter daran, dass 70 Prozent der Wähler in den neuen Bundesländern die etablierten Parteien wählen. Dennoch bestehen Unterschiede im Wahlverhalten zwischen Ost und West: Im Osten Deutschlands sind Parteibindungen schwach und die Parteien müssen Wählerstimmen und Parteimitglieder aus anderen gesellschaftlichen Gruppen rekrutieren als im Westen.

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Die restlichen 70 Prozent
Alle starren auf die Linkspartei – aber auch im Osten wählt die Mehrheit die anderen Parteien


Von Ende Juli bis Ende August war die Vorsitzende der sächsischen Linkspartei/PDS, Cornelia Ernst, wieder auf Hartz-Tour durch Sachsen. Wie schon im sächsischen Landtagswahlkampf vor einem Jahr nutzte die wenig charismatische Politikerin die verbreitete Proteststimmung gegen die Arbeitsmarktreform nun auch im Bundestagswahlkampf mit Leichtigkeit für ihre Partei. Diesmal ist die PDS dabei sogar noch erfolgreicher als im vergangenen Jahr. War es der NPD vor zwölf Monaten ebenfalls mit einer Anti-Hartz-Kampagne gelungen, Aufmerksamkeit und Stimmen zu gewinnen, bindet die um WASG und Lafontaine („Fremdarbeiter“) erweiterte PDS diesmal offensichtlich auch potentielle NPD-Wähler an sich. Das jedenfalls legen die aktuellen Umfragen nahe, in denen die NPD nur unter „ferner liefen“ rangiert. Anders als bei der für sie desaströsen Bundestagswahl 2002 hat die PDS diesmal ein Thema.



Seit Wochen schon wird der in Linkspartei umbenannten PDS im Osten von Meinungsforschern ein Stimmenanteil von bis zu 30 Prozent prognostiziert. Das hat Politiker der anderen großen Parteien aufgeschreckt. Sie erklärten die Linkspartei zur Hauptkonkurrentin, diskutierten über den Sinn oder Unsinn ostspezifischer Wahlkämpfe oder schwadronierten über unterschiedlich kluge Bevölkerungsteile und Frustrierte. Darüber gerieten freilich die restlichen 70 Prozent der Wähler im Osten aus dem Blick, die ihr Kreuzchen nicht bei der Linkspartei/PDS machen wollen. Wer sind diese Leute? Insgesamt fällt auf, daß CDU, SPD, aber auch FDP und Grüne in den neuen Ländern alles in allem weniger Rückhalt (und einen viel geringeren Mitgliederstamm) haben und die Bindung an sie viel schwächer ausgeprägt ist als in Westdeutschland. Wähler im Osten machen ihre Entscheidung stärker noch als Wähler im Westen von aktuellen Themen, Ereignissen und Personen abhängig. Innerhalb kurzer Zeit schwanken Wahlergebnisse vor allem der CDU und der SPD erheblich. So erzielte die SPD bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im April 2002 nur noch 20 Prozent (ein Verlust von 16 Prozentpunkten), lediglich fünf Monate später war sie bei der Bundestagswahl mit 43,2 Prozent wieder stärkste Partei. Auch in Sachsen gibt es solche Abweichungen zwischen Landtags- und Bundestagswahlergebnissen mittlerweile regelmäßig. Die Union wiederum schnitt bei Bundestagswahlen in Sachsen schon um mehr als 20 Prozentpunkte schlechter ab als bei Landtagswahlen. Laut jüngsten Umfragen kann sie in Sachsen anders als in den anderen ostdeutschen Bundesländern bei der anstehenden Bundestagswahl damit rechnen, mit deutlichem Abstand zur Linkspartei/PDS stärkste Partei zu werden.

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