GHDI logo


Genehmigungsschreiben der Militärgouverneure der britischen, französischen und amerikanischen Besatzungszonen zum Grundgesetz an Konrad Adenauer (12. Mai 1949)

Nachdem es im März 1949 noch einmal zu einer schweren Krise zwischen dem Parlamentarischen Rat und den Alliierten über die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern in dem zukünftigen deutschen Staat gekommen war, billigen die drei westalliierten Militärgouverneure am 8. Mai 1949 das vom Parlamentarischen Rat verabschiedete Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Vier Tage danach schrieben sie den folgenden Brief an Konrad Adenauer. Sie betonen, dass die im Grundgesetz verankerten Befugnisse der Bundesregierung und der übrigen politischen Körperschaften dem Besatzungsstatut und damit alliierter Aufsicht unterliegen und insbesondere die Polizeibefugnisse nicht ohne Genehmigung der Besatzungsbehörden ausgeübt werden dürfen. Das offiziell noch immer unter der Kontrolle der Vier Mächte stehende Berlin erhält einen Sonderstatus. Mit Ausnahme des Zusammenschlusses der Länder Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Südbaden zum Land Baden-Württemberg sind weitere Neugliederungen der westdeutschen Länder nicht mehr vorgesehen.

Druckfassung     Dokumenten-Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument

Seite 1 von 2


Herrn Dr. Konrad Adenauer
Präsident des Parlamentarischen Rates
Bonn

Sehr geehrter Herr Dr. Adenauer!

1. Das am 8. Mai vom Parlamentarischen Rat angenommene Grundgesetz hat unsere sorgfältige und interessierte Aufmerksamkeit gefunden. Nach unserer Auffassung verbindet es in glücklicher Weise deutsche demokratische Überlieferung mit den Prinzipien einer repräsentativen Regierung und einer Rechtsordnung, die die Welt als für das Leben eines freien Volkes unerläßlich betrachtet.

2. Indem wir die Verfassung genehmigen, damit sie gemäß Artikel 144 (1) dem deutschen Volke zur Ratifizierung unterbreitet werde, nehmen wir an, daß Sie verstehen werden, daß wir verschiedene Vorbehalte machen müssen. Zum ersten unterliegen die Befugnisse, die dem Bund durch das Grundgesetz übertragen werden, sowie die von den Ländern und den örtlichen Verwaltungskörperschaften ausgeübten Befugnisse den Bestimmungen des Besatzungsstatutes, das wir Ihnen schon übermittelt haben und das mit dem heutigen Datum verkündet wird.

3. Zweitens versteht es sich, daß die Polizeibefugnisse, wie sie in Artikel 91(2) enthalten sind, nicht ausgeübt werden dürfen, bis sie von den Besatzungsbehörden ausdrücklich gebilligt sind. In gleicher Weise sollen die übrigen Polizeifunktionen des Bundes im Einklang mit dem in dieser Frage an Sie gerichteten Schreiben vom 14. 4. 49 ausgeübt werden.

4. Ein dritter Vorbehalt betrifft die Beteiligung Groß-Berlins am Bund. Wir interpretieren den Inhalt der Artikel 23 und 144 (2) des Grundgesetzes dahin, daß er die Annahme unseres früheren Ersuchens darstellt, demzufolge Berlin keine abstimmungsberechtigte Mitgliedschaft im Bundestag oder Bundesrat erhalten und auch nicht durch den Bund regiert werden wird, daß es jedoch eine beschränkte Anzahl Vertreter zur Teilnahme an den Sitzungen dieser gesetzgebenden Körperschaften benennen darf.

5. Ein vierter Vorbehalt bezieht sich auf die Artikel 29 und 118 und die allgemeinen Fragen der Neufestsetzung der Ländergrenzen. Abgesehen von Württemberg-Baden und -Hohenzollern hat sich unsere Haltung in dieser Frage, seitdem wir die Angelegenheit mit Ihnen am 2. März besprochen haben, nicht geändert. Sofern nicht die Hohen Kommissare einstimmig eine Änderung dieser Haltung beschließen, sollen die in den genannten Artikeln festgelegten Befugnisse nicht ausgeübt werden und die Grenzen aller Länder mit Ausnahme von Württemberg-Baden und -Hohenzollern bis zum Zeitpunkt des Friedensvertrages, so wie sie jetzt festgelegt sind, bestehen bleiben.

6. Wir sind fünftens der Auffassung, daß Artikel 84, Absatz 5, und Artikel 87, Absatz 3, dem Bund sehr weitgehende Befugnisse auf dem Gebiet der Verwaltung geben. Die Hohen Kommissare werden der Ausübung dieser Befugnisse sorgfältige Beachtung schenken müssen, um sicherzustellen, daß sie nicht zu einer übermäßigen Machtkonzentration führen.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite