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Theodor Fontane, „Bismarck ist ein Despot” (12. März 1881)

Theodor Fontane (1819-1898) war ein Romanautor und der bedeutendste Schriftsteller des Realismus in Deutschland. Der folgende Text ist einem Brief entnommen, den er an Philipp Graf zu Eulenburg-Hertefeld (1847-1921) schrieb, einen Diplomaten, der damals in der deutschen Botschaft in Paris diente und später mit Kaiser Wilhelm II. befreundet war. Im März 1881 hatte Bismarck plötzlich Eulenburg-Hertefelds Cousin, Botho Graf zu Eulenburg (1831-1912), den preußischen Innenminister (1878-1881), aus dem Amt gedrängt. Hier versucht Fontane, Bismarcks Despotie als Bollwerk gegen die Parlamentarisierung vernunftmäßig zu erklären.

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An Philipp zu Eulenburg
Berlin, d. 12. März 1881.

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Der Kanzler ist ein Despot;

aber er darf es sein, er muß es sein. Wär' er es nicht, wär' er ein parlamentarisches Ideal, das sich durch das Dümmste, was es gibt, durch Majoritäten, bestimmen ließe, so hätten wir überhaupt noch keinen Kanzler und am wenigsten ein Deutsches Reich. Das ist andrerseits freilich richtig, daß neben einem solchen Despoten nur unselbständige Naturen oder Kräfte zweiten und dritten Ranges dienen können, und daß jeder freie Mann wohltut, bei Zeiten seinen Rückzug anzutreten. Der freie Mann tut dabei, was ihm ziemt; aber der Kanzler tut auch, was ihm ziemt, wenn er sich dadurch in seinem Tun und Lassen nicht beirren läßt.

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Quelle: Theodor Fontane an Philipp zu Eulenburg, 12. März 1881.

Abgedruckt in Theodor Fontane, Werke, Schriften und Briefe, herausgegeben von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger. Zweiundzwanzig Dünndruckbände in vier Abteilungen. Abteilung IV, Briefe, Bd. 3, 1879-1889 © 1980 Carl Hanser Verlag: München, S. 125.

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