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Hedwig Dohm, „Das Stimmrecht der Frauen” (1876)

Hedwig Dohm (1831-1919) war mit Wilhelm Friedrich Ernst Dohm verheiratet, dem Herausgeber des satirischen Witzblattes Kladderadatsch. In einer mehr als 50 Jahre dauernden Laufbahn veröffentlichte Dohm Romane und Theaterstücke, bleibt aber am bekanntesten für ihre ironischen und scharfsinnigen Aufsätze zum Thema Frauenrechte, die sie zwischen 1872 und 1879 verfasste. Der folgende Auszug stammt aus ihrem Aufsatz, „Das Stimmrecht der Frauen“, der in einer Sammlung mit dem Titel Der Frauen Natur und Recht erschien. In dieser Textpassage spricht sie sich mit einwandfreier Logik für das Frauenwahlrecht aus und präsentiert Punkt für Punkt eine Widerlegung solcher Argumente wie „Frauen wollen das Stimmrecht nicht“, „Frauen brauchen das Stimmrecht nicht“ und so weiter. In den abschließenden Zeilen ihres Aufsatzes greift Dohm das Anliegen der politischen Gleichheit in leidenschaftlicherem Ton auf, sie appelliert an alle Frauen, sich dem „Geschlechtsdespotismus“ zu widersetzen.

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(Seite 57ff, 67ff)

[ . . . ] In Deutschland befindet sich die Frauenfrage noch vor dem Beginn ernsterer Diskussion. Von Übelwollenden verspottet, obwohl Spott noch niemals ein Probierstein der Wahrheit gewesen ist, von Wohlwollenden als Bagatellsache vorläufig beiseite geschoben, ist sie bei uns noch so sehr in der Kindheit, daß, o heilige Einfalt, selbst sozialdemokratische Blätter mit Phrasen, die der Kreuzzeitung entlehnt sein könnten, Phrasen von der Sprengung heiliger Familienbande, gegen das Stimmrecht der Frauen agitieren.

Deutschland ist es vorbehalten gewesen, diese Sozialphilister zu produzieren, diese sittlichen Harlekins, die, mit der einen Hand ihr purpurnes Banner entfaltend, auf dem die strahlendsten Prinzipien reinster Demokratie prunken, mit der anderen Hand die Peitsche schwingen für die Hälfte des Menschengeschlechts.

Ein Freidenker Südamerikas faßte sein politisches Glaubensbekenntnis in die Worte zusammen: „All men are born free except niggers“. [ . . . ] Viel größer ist das Defizit an Menschenliebe und logischer Gedankenkraft, das jene Scharlatane der Demokratie mit ihrer Ausschließung der Frauen vom Stimmrecht dokumentieren. Gewiß ist es nur ein kleiner Bruchteil der Sozialdemokratie, der mit dieser Prostitution seiner eigenen Prinzipien einverstanden ist. Warum aber desavouiert die große sozialistische Partei solche Gesinnungsgenossen nicht und schickt diese Abenteurer der Gesinnung dahin, wohin sie gehören, in die Redaktion der Kreuzzeitung oder an ähnliche Orte? Wer die Selbständigkeit der Frau nicht will, wird, zur Macht gelangt, die seiner Mitbürger zerstören.
[ . . . ]

Für die politischen Rechte der Frauen gelten genau dieselben Argumente, deren Anerkennung man in bezug auf die politische Emanzipation der Besitzlosen, der Arbeiter und zuletzt der Neger erzwungen hat.

Die Gründe der Männer (gegen das Frauenstimmrecht, d. H.) heißen:

1. Die Frauen brauchen das Stimmrecht nicht,

2. die Frauen wollen das Stimmrecht nicht,

3. sie haben nicht die Fähigkeit, es auszuüben,

4. ihr Geschlecht schließt die Frau selbstverständlich von jeder politischen Aktion aus.

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