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Ein konservativer Publizist beklagt das Verschwinden des Begriffs „Deutschland” (1972)

Der konservative Publizist Matthias Walden kritisiert das Verschwinden des Begriffs „Deutschland“ als Folge der De-facto-Anerkennung der DDR. Die Bezeichnung „DDR“ für den Osten ziehe die Verwendung der Bezeichnung „BRD“ für den Westen nach sich, was wiederum jede Hoffnung auf Wiedervereinigung zunichte mache.

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Statt Deutschland nur noch „BRD"?

In den drei Jahren der Annäherung an die „DDR" ist die Bundesrepublik Deutschland einem Wandel unterworfen worden, der sich nicht nur greifen und begreifen, sondern auch ablesen läßt: sie ist zu den drei Buchstaben „BRD" geschrumpft. Die entseelte Kurzform ist ein Importartikel aus jenem anderen Drei-Buchstaben-Bereich, dessen Teilungsstrategen den Begriff Deutschland auszulöschen wünschen.

Es dauerte nicht lange, bis die Einübung durch SED-Repetitoren die westdeutschen Klassenersten der Annäherung zu flüssigem Nachsprechen gebracht hatte. Jetzt hört man es bei uns landauf, landab „BRD". Es spricht sich leichter, klingt wie ABC und Pkw, und niemand braucht sich etwas dabei zu denken. Wir haben wieder etwas mehr Bequemlichkeit.

Ja, weiß man denn nicht, daß es der „DDR" — Adjektiv: „deutsch" — darum geht, der Nation den Namen ihres Vaterlandes — Substantiv: Deutschland — auszureden? Im Palais mit dem beziehungsreichen Namen Schaumburg weiß man's schon. Und läßt es trotzdem — oder gar deshalb? — bestehen. Die „DDR", von ihren Anführungsstrichen und von nichts sonst befreit, ist gleichberechtigt mit der „BRD", zwei deutsche Staaten, anerkannt der eine wie der andere, kein Deutschland mehr.

Das ist der Grund des Grundvertrages. Als das Teilungspapier paraphiert wurde, sprach Egon Bahr, der Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland, einmal von der „BRD" und von der „Deutschen Demokratischen Republik". Die Mühe der 31 Buchstaben zugunsten des Prestiges der Gegenseite im Partnerlook war ihm die Sache wert. Er sparte den Aufwand durch „BRD" wieder ein. Bei uns wird abgekürzt. Deutschland braucht zuviel Zeit. Die Angelegenheit eilte überdies, denn der Wahltermin war nahe. Unser Wahltermin! Die anderen haben keine Wahl, leben aber auch in Deutschland — oder nicht mehr?

Als die vier Mächte Zangengeburtshilfe zum Grundvertrag leisteten, bestanden sie auf der Fortdauer ihrer Verantwortlichkeit, konnten aber nicht mehr sagen wofür. Ihre Erklärung spart den Begriff aus — Deutschland ist unaussprechlich geworden.

Dafür haben wir jetzt gute Nachbarschaft beider deutscher Staaten. Die Präambel des Nachbarschaftsvertrages weist allerdings Unverträglichkeit nach: Die Einheit der Nation, die in der Vorwerbung als Bindemittel angepriesen worden war, ist zur „Frage" herunterverhandelt worden. Man kam darin überein, nicht übereinzukommen. Das gleiche mit der Staatsbürgerschaft, die doch wohl eine grundlegende Frage ist. Auch sie blieb ohne Antwort im Grundvertrag, denn sie berührt Unberührbares: Deutschland.

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