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Unabhängige und offizielle Friedenspolitik auf Kollisionskurs (16. April 1982)

In dem Fernschreiben an die 1. Sekretäre der SED-Bezirks- und Kreisleitungen und den Chef der Politischen Hauptverwaltung der NVA weist Erich Honecker kritisch auf die wichtige Rolle der Kirchen zur Unterstützung der unabhängigen Friedensbewegung der DDR hin und macht klar, dass in Gesprächen mit kirchlichen Vertretern der klassenkämpferische Charakter der SED-Friedenspolitik betont werden müsse.

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Fernschreiben Erich Honeckers an die 1. Sekretäre der SED-Bezirks- und Kreisleitungen und den Chef der Politischen Hauptverwaltung der NVA, Heinz Keßler


Liebe Genossen,

wie Ihr wißt, versuchen in letzter Zeit einige Kräfte aus Kreisen der evangelischen Kirchen in der DDR, das Verhältnis zwischen Staat und Kirche durch provokatorisches Auftreten zu belasten. Als Vorwand dient ihnen dabei oftmals die Unterbindung des Tragens nichtgenehmigter Abzeichen, besonders durch kirchlich stark beeinflußte Jugendliche. In Verbindung damit legen es die Inspiratoren dieser destruktiven Erscheinungen darauf an, das bis zu den Jahren 1978/80 bestehende im großen und ganzen gute Verhältnis der evangelischen Kirchen zum Staat zu stören.

Der Staatssekretär für Kirchenfragen, Genosse Klaus Gysi, führte am 7. April 1982 mit leitenden Vertretern der evangelischen Kirchen in der DDR ein ausführliches Gespräch. In diesem Gespräch legte er dar, daß die Handlungen bestimmter Kirchenvertreter im Widerspruch zu früheren Erklärungen leitender Personen der evangelischen Kirche stehen, wonach sich die von ihnen vertretenen Kirchen in der DDR nicht in die Rolle eines „Trojanischen Pferdes" drängen lassen, sondern sich als Kirche im Sozialismus verstehen. Von seiten leitender Vertreter der evangelischen Kirchen in der DDR wurde erklärt, daß ihre Kirche weiterhin zu den Ergebnissen des Treffens des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR mit dem Vorstand der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR am 6. März 1978 stehe. In der Friedensfrage müßten sie jedoch in einer Reihe von Aspekten aus christlicher Sicht Auffassungen vertreten, die über den Rahmen der Friedenspolitik der DDR hinausgingen. Die evangelischen Kirchen seien, wie es in einer Mitteilung des Vorstandes der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR heißt, „nicht einfach Verstärker der Außenpolitik des Staates".

Es ist offensichtlich, daß bestimmte kirchliche Kräfte unter dem Vorwand einer „eigenständigen", „unabhängigen" Friedensbewegung bestrebt sind, im Interesse imperialistischer Kreise oppositionelle Kräfte gegen die Arbeiter-und-Bauern-Macht zu organisieren. Das findet seinen Ausdruck nicht nur im provokatorischen Auftreten verschiedener kirchenleitender Personen, sondern auch im Flankenschutz, der ihnen dabei von westlichen Massenmedien gewährt wird. Am treffendsten kam dies in einem Leitartikel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (13.4.1982), d. h. in einem Organ der westdeutschen Großbourgeoisie, zum Ausdruck, in dem unverfroren davon gesprochen wird, daß die Vertreter der evangelischen Kirchen in der DDR ein Mitspracherecht verlangen sollen, den Inspiratoren eines solchen Auftretens ist natürlich gut bekannt, daß in der Deutschen Demokratischen Republik seit ihrer Gründung Staat und Kirche getrennt sind. Das entspricht übrigens auch der biblischen Weisung, Gott zu geben, was Gottes ist, und dem Staat zu geben, was des Staates ist.

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