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Jungsozialisten kritisieren die Konzeptlosigkeit der SPD im Umgang mit der Umweltbewegung (1979)

In einem Positionspapier kommentiert der Vorsitzende der Jungsozialisten (und spätere Bundeskanzler) Gerhard Schröder den ersten Wahlerfolg der „Grünen” in Bremen und sagt den Aufstieg einer konkurrierenden Partei voraus, wenn die Sozialdemokraten nicht anfangen, Fragen des Umweltschutzes ernster zu nehmen.

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„Die SPD hat kein Konzept“


Das Wahlergebnis der Grünen/Alternativen in Bremen hat die SPD aufgeschreckt. Ursache des Erschreckens ist die Befürchtung, die „Macht“ in Bonn oder jedenfalls das, was man dafür hält, zu verlieren. Diese Furcht ist jedenfalls dann begründet, wenn die Grünen/Alternativen zur Bundestagswahl 1980 kandidieren. Mit großer Wahrscheinlichkeit entstünde dann die groteske Situation, daß Kräfte, die sich im weitesten Sinne dem gesellschaftlichen Fortschritt verpflichtet fühlen, objektiv der Reaktion den Boden bereiten. Eine andere Deutung lassen die vorliegenden Zahlen über das Wählerverhalten in Bremen, hochgerechnet auf die Bundesrepublik, nicht mehr zu.

Die SPD hat angesichts dessen kein Konzept, mit dem auf diese Entwicklung reagiert werden könnte. Sie ist unsicher. Diese Unsicherheit findet ihren Ausdruck in einer hilflos anmutenden „Doppelstrategie“. Ein Teil der Partei versucht, die Grünen/Alternativen in eine demokratiefeindliche Ecke zu drängen, um sie so als unwählbar erscheinen zu lassen. Der andere Teil der Partei läuft nur noch in Latzhosen herum und überbietet sich in vordergründiger Anbiederung und Anpassung an eine „Massenbewegung“. Ein Konzept ist beides sicher nicht.

Was tun? Oder besser, um Mißverständnisse zu vermeiden: Was nun?

Eine Antwort setzt Klarheit über das Potential der Grünen/Alternativen und die dort vorhandenen politischen Kräfteverhältnisse voraus.

Ein etwa gleich großer Teil der Stimmen für die Grünen/Alternativen in Bremen ist vor allem über zwei Themen mobilisiert worden: Umweltprobleme mit Schwerpunkt Kernenergie und Gefährdung der politischen Demokratie durch Maßnahmen staatlicher Repression.

Die Wähler, die über diese Themen mobilisiert worden sind, zeichnen sich durch einen hohen Grad an Politisierung aus. Sie sind zu zwei Dritteln Jungwähler. Nach ihrem Selbstverständnis sind sie demokratische Sozialisten. Die Politik der Regierung hat sie der SPD entfremdet. Diese Entfremdung ist keineswegs endgültig. Sie kann aufgebrochen werden.

Diese Wähler gibt es natürlich nicht nur in Bremen, sondern im gesamten Bundesgebiet. Ihre Zahl dürfte bei zwei Prozent liegen. Bezogen auf die Bundestagswahl 1980 wollen sie auf jeden Fall Strauß verhindern. Für die SPD werden sie sich aber nur dann entscheiden, wenn ihnen der reale Unterschied zwischen der sozialliberalen Koalition und einer Machtübernahme durch Strauß vor allem in den sie interessierenden Themenbereichen deutlich gemacht wird.

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