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Konfessionsverteilung (um 1560)

Die Abwesenheit einer starken Zentralgewalt des Heiligen Römischen Reiches hatte großen Einfluss auf das Verhältnis von Staat und Religion. Wo sich in anderen Königreichen Nationalkirchen herausbildeten, namentlich in England, Frankreich, Dänemark und Schweden, übten im Reich die Landesfürsten das Kirchenregiment in ihren Territorien aus. Dieser Zustand bildete den Abschluss einer Entwicklung, deren Ursprünge bis in die 1440er Jahre zurückgingen, als der Papst separate Verträge mit dem Kaiser und einigen Fürsten geschlossen hatte.

Im 16. Jahrhundert bekam der seit langem bestehende Ruf nach Reformen in der Kirche eine neue Qualität durch Schriften von Reformern wie Martin Luther im sächsischen Wittenberg, Ulrich Zwingli in Zürich in der Schweiz, Jean Calvin im unabhängigen Genf, sowie einigen anderen. Angefeuert von einer Flut von Streitschriften, Polemiken und Programmen fanden ihre Bewegungen eine rasche und weite Verbreitung mit dem Ergebnis von Kirchenabspaltungen, aus denen verschiedene protestantische Konfessionen neben dem traditionellen katholischen Glauben hervorgingen. Im Reich verbreiteten sich unter dem Schutz der Fürsten und städtischen Magistrate der Protestantismus lutherischer Ausprägung und später die Reformierte Kirche (Kalvinismus), welche den Weg zur Herausbildung protestantischer Landeskirchen ebneten. Manche Staaten, insbesondere Bayern, verhinderten die Ausbreitung des neuen Glaubens.

Der Versuch Kaiser Karls V. auf dem Augsburger Reichstag von 1530 die Glaubenseinheit zu retten, scheiterte. Mehr als zwei Jahrzehnte heftiger politischer und militärischer Auseinandersetzungen folgten. Sie gipfelten im Schmalkaldischen Krieg von 1546/47 und fanden schließlich durch den Augsburger Religionsfrieden (1555) ein vorläufiges Ende. Diese Übereinkunft erlaubte es Fürsten und Städten die lutherische Konfession zu tolerieren (dieses Recht wurde 1648 auf die Reformierte Kirche ausgeweitet) und ermöglichte es den Fürsten, von ihren Untertanen die Annahme der etablierten Religion zu verlangen oder aber ihr jeweiliges Land zu verlassen, ein Leitsatz, der später mit „Wessen Gebiet, dessen Religion“ [cuius regio, eius religio] bezeichnet wurde. Die Duldung mehr als einer Konfession wurde in einer Reihe von Reichsstädten festgeschrieben und auch örtlich in einigen Gebieten praktiziert. Anhand einer Sonderregelung wurde katholischen Bischöfen untersagt Abweichler auszustoßen, wohingegen zum Protestantismus konvertierte Bischöfe ihres Amtes enthoben wurden.

Die Karte macht deutlich, wo die Reformation bis 1560 eingeführt wurde. Die wichtigsten Gebiete lagen im Norden und Zentrum des Reiches: Mecklenburg-Westpommern, Brandenburg, Braunschweig-Lüneburg, Hessen und Sachsen und (wenn auch außerhalb der Reichsgrenzen) Preußen waren Bastionen des Protestantismus lutherischer Prägung. Im Süden konnte er sich in Württemberg etablieren, in Teilen von Franken sowie zahlreichen Reichsstädten. Nach 1580 erlebte die katholische Kirche einen massiven Wiederaufschwung, der den Vormarsch des Protestantismus unterbrach und es dem althergebrachten Glauben sogar ermöglichte, einige der kirchlichen Territorien zurückzugewinnen, ebenso wie den größeren Teil Österreichs und das Königreich Böhmen. Der Katholizismus blieb in den westlichen und südwestlichen Teilen des Reiches vorherrschend, einschließlich weiter Teile des Elsass und im gesamten Lothringen, ebenso wie in Bayern. Die dritte Konfession, die Reformierte Kirche, verbreitete sich über Genf weiter nach Frankreich, den Niederlanden und einige Teile Deutschlands. Das Ergebnis war eine religiöse Landschaft, deren Ausprägungen sowohl die demographischen Verschiebungen des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) als auch des Zweiten Weltkrieges überdauerten.

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Konfessionsverteilung (um 1560)

IEG-MAPS, Institut für Europäische Geschichte, Mainz / © A. Kunz, 2007
Kartograf: Joachim Robert Moeschl