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Christian Wilhelm von Dohm, Über die bürgerliche Verbesserung der Juden (1781)

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Wenn die Kenntniß der menschlichen Natur uns versichert, daß Verbindungen dieses Lebens stärker wirken, als die, welche sich auf das künftige beziehen; so beweiset uns auch die Geschichte, daß die Güte der Regierung und der Wohlstand, den sie unpartheylsch ihre Unterthanen geniessen läßt, den Einfluß der Religionsgrundsätze schwächt, und die gegenseitige Abneigung tödtet, die nur durch Verfolgung genährt wird. Der Glaube der Quäcker scheint Lehren zu enthalten, die offenbar den Grundsätzen der gemeinschaftlichen Verbindung im Staate zuwider sind, und seine Anhänger unfähig zu machen, sich als gute Bürger zu betragen. Die Vertheidigung des Staats gegen Angriffe, die seiner Erhaltung drohn, ist eine der ersten Pflichten jedes Gliedes der bürgerlichen Gesellschaft; der Quäcker sagt sich von derselben los, und behauptet keinen Beweggrund zu kennen, der ihm den Krieg erlaubte. Der Eyd scheint eine der wesentlichsten Stützen zu seyn, die der Staat von der Religion erwartet, nur durch ihn, glaubt man, kann die Treue der Unterthanen gesichert, und oft der Streit über das Leben und die Güter derselben unwiderrufbar entschieden werden; der Quäcker weigert sich ihn abzulegen. Er widersetzt sich ohnedem den allgemein eingeführten Gesetzen des Wohlstandes, und macht seine Trennung durch besondere Gebräuche und ein auszeichnendes Aeusseres noch auffallender: und doch sind die Quäcker und Mennonisten in allen Staaten, wo man sie aufgenommen, als sehr gute und nützliche Bürger bekannt. Der Catholick scheint durch seine Lehre noch mehr wie alle andre Glaubensgenossen, zu ausschliessenden Gesinnungen berechtigt, da er diese für die einzige durchaus nothwendige Bedingung der Seeligkeit hält, und die Ausbreitung dieser Lehre ihm zur Pflicht gemacht ist, und doch ist er in England, Holland, Preussen und Rußland ein sehr guter und patriotischer Bürger; eben so ist es der Lutheraner im Elsaß, der Reformirte und Socinianer in Siebenbürgen. Die Mohamedaner waren es ehmals in Spanien, ehe sie ein unerleuchteter Religionseifer verbannte, und sind es noch itzt in den österreichischen und rußischen Staaten. Auch die Juden waren im römischen Reich unter den heidnischen und ersten christlichen Kaisern sehr gute Unterthanen, welches ihnen das Recht nach eignen Gesetzen zu leben, und andere vorzügliche Freyheiten erwarb. Und so wenig sie auch bisher noch in irgend einem unsrer itzigen Staaten des Glücks der Bürger genossen haben; so haben sie doch schon in vielen derselben warme Theilnehmung an dessen Wohl und patriotische Aufopferungen bey Gefahren bewiesen. Gewiß also wird auch der Jude durch seine Religion nicht abgehalten werden, ein guter Bürger zu seyn, sobald ihm nur die Regierung die Rechte desselben angedeihen lassen will. Entweder enthält dieselbe nichts was den Pflichten eines Bürgers widerspricht, oder dieß Widersprechende wird durch sittliche und politische Verfügungen sehr bald aufgehoben werden können.

Vielleicht aber möchte man allen diesen Gründen die allgemeine Erfahrung unsrer Staaten von der politischen Schädlichkeit der Juden entgegensetzen, und das harte Betragen der Regierungen gegen sie damit rechtfertigen wollen, daß der Charakter und Geist dieser Nation nun einmal so unglücklich gebildet sey, und sie deshalb in keine bürgerliche Gesellschaft mit völlig gleichen Rechten aufgenommen werden könten. Man hört in der That diese Behauptung im gemeinen Leben sehr oft, nach welcher den Judert eine so verderbte Gesinnung beygemessen wird, daß nur die einschränkendste und drückendste Verfassung sie unschädlich machen könne. Diesen Unglücklichen, sagt man, ist von ihren Vorfahren, wenn auch nicht durch ihre älteste Lehre, doch durch die mündliche Ueberlieferung und durch die spätre sophistische Folgerungen der Rabbinen, ein so erbitterten Haß gegen alle diejenigen eingeflößt, die nicht zu den Ihrigen gehören, daß sie sich nie gewöhnen können, dieselben als Glieder einer gemeinschaftlichen bürgerlichen Gesellschaft anzusehen, und sich ihnen zu gleichen Pflichten verbindlich zu glauben. Der fanatische Haß, womit die Vorfahren der heutigen Hebräer den ersten Stifter des Christenthums verfolgten, ist noch auf ihre itzige späte Nachkommen gegen alle Bekenner desselben vererbt worden; und die Ausbrüche desselben haben sich oft deutlich gezeigt, wenn sie nicht durch Gewalt zurückgehalten wurden. Besonders ist von jeher unter allen Nationen den Juden, Mangel an Treue und Ehrlichkeit, die wesentlichste Eigenschaft in dem einzig ihnen verstatteten Nahrungsmittel, — dem Handel, schuld gegeben worden. Jede kleine Betrügerey in demselben wird einer Jüdischen Ersindung beygemessen, und die Münze eines Staats ist verdächtig, an welcher die Juden Antheil gehabt oder die oft durch ihre Hände gegangen. Auch hört man an allen Orten, wo man zu duldend die Zahl der Juden sich zu sehr vermehren lassen, die Beschwerde, daß sie die ihnen erlaubten Nahrungszweige fast ganz an sich ziehn, und die Christen neben ihnen nicht aufkommen können. Aus diesem Grunde, fährt man fort, haben die Regierungen fast aller Staaten mit einer Gleichheit der Grundsätze, die schon allein auf ihre Güte schliessen läßt, einschränkende Gesetze für diese Nation nöthig gefunden, und sich gezwungen gesehen, nur bey ihr von der allgemeinen Regel der immer zu vermehrenden Bevölkerung abzuweichen. Sie haben diese dem Wohlstand der übrigen Bürger schädliche Menschen nicht in gleiche Rechte mit denselben einsetzen können, und sich entschliessen müssen, bey den Wenigen, denen sie die Rechte der Menschheit gestatten, ein gewisses Vermögen zur Bedingung zu machen, das schon mehr in der sittlichen Ordnung erhält und von ungeselligen Vergehungen ableitet.

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