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Das Toleranzpatent Kaiser Josephs II. für die k.k. Erbländer (1781)

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Viertens: Die Jura stolae verbleiben, so wie sie in Schlesien, dem Parocho ordinario vorbehalten.

Fünftens: Wollen Wir die Judicatur in den das Religionswesen der Acatholicorum betreffenden Gegenständen Unserer politischen Landesstelle mit Zuziehung eines oder des andern ihrer Pastoren und Theologen gnädigst aufgetragen haben, von welcher nach ihren Religionsgrundsätzen gesprochen und entschieden werden, hierüber jedoch der weitere Recurs an Unsere politische Hofstelle freistehen solle.

Sechstens: Hat es von der Ausstellung der bisher gewöhnlich gewesenen Reverse bei Heurathen von Seite der Acatholicorum wegen Erziehung ihrer erzeugenden Kinder in der römischkatholischen Religion von nun an gänzlich abzukommen, da bei einem katholischen Vater alle Kinder in der katholischen Religion, sowohl von männlich als weiblichen Geschlechte, ohne Anfrage zu erziehen sind, welches als ein Praerogativum der dominanten Religion anzusehen ist, wo hingegen bei einem protestantischen Vater und katholischen Mutter sie dem Geschlecht zu folgen haben.

Siebentens: Könnten die Acatholici zum Häuser- und Güter-Ankauf, zu dem Bürger- und Meister-Rechte, zu academischen Würden und Civil-Bedienstungen in Hinkunft dispensando zugelassen werden, und sind diese zu keiner andern Eidesformel als zu derjenigen, die ihren Religionsgrundsätzen gemäss ist, weder zu Beiwohnung der Processionen oder Functionen der dominanten Religion, wenn sie nicht selbst wollen, anzuhalten. Es soll auch ohne Rücksicht auf den Unterschied der Religion in allen Wahlen und Dienstvergebungen, wie es bei Unserem Militari täglich ohne mindesten Anstand und mit vieler Frucht geschiehet, auf die Rechtschaffenheit und Fähigkeit der Competenten, dann auf ihren christlichen und moralischen Lebenswandel lediglich der genaue Bedacht genommen werden. Derlei Dispensationes zu Possessionen, dann zum Bürger- und Meister-Rechte sind bei den unterthänigen Städten durch die Kreisämter, bei den königlichen und Leibgedingstädten aber, da wo Landeskämmerer sind, durch diese, und wo sich keine befinden, durch Unser Landesgubernium (Landeshauptmannschaft) ohne alle Erschwerung zu ertheilen. Im Falle aber bei den angesuchten Dispensationen sich Anstände, wegen welcher selbe abzuschlagen erachtet würden, ergeben sollten, ist hievon jedesmal die Anzeige una cum motivis an Unser Gubernium (Landeshauptmannschaft) und von euch anher zu Einholung Unserer höchsten Entschliessung zu erstatten.

Wo es aber um das Jus Incolatus des höheren Standes zu thun ist, da ist die Dispensation nach vorläufig vernommener Landesstelle von Unserer Böhm. Oesterr. Hofkanzlei zu ertheilen.

Diese Unsere höchste Schlussfassung werdet ihr den Kreisämtern, Magistraten und Dominien durch eigends gedruckte Circularien, wovon eine grössere Ansahl als sonst gewöhnlich aufzulegen ist, bekannt machen lassen, auch dem dort (hier) Landes verlegenden Buchdrucker zu gestatten haben, an Jedermann, der es verlanget, solche gedruckte Circularien abzugeben und andurch die hinlängliche Verbreitung auch in andere Länder zu bewirken.



Quelle: Gustav Frank, Hg., Das Tolerenz-Patent, Kaiser Joseph II. Urkundliche Geschichte seiner Entstehung und seiner Folgen. Wien: Wilhelm Braumüller, 1882, S. 37-41.

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