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Georg Forster, „Über das Verhältnis der Mainzer gegen die Franken”, gesprochen in der Gesellschaft der Volksfreunde zu Mainz (15. November 1792)

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Damals, als Frankreich noch unter der Peitsche seiner Despoten und ihrer abgefeimten Werkzeuge stand, war es ja das Muster, nach welchem sich alle Kabinette bildeten! damals fanden Fürsten und Edle nichts so ehrenvoll, als ihre Muttersprache zu verleugnen, um schlechtes Französisch noch schlechter auszusprechen. Doch seht! die Franken zerbrechen ihre Ketten, sie sind frei, – und plötzlich ändert sich der ekle Geschmack des lispelnden und lallenden Aristokraten; die Sprache freier Männer verwundet seine Zunge; gern möchte er uns jetzt überreden, daß er durch und durch ein Deutscher sei, daß er sich sogar der französischen Sprache schäme, um hinterdrein mit dem Wunsch hervorzutreten, daß wir doch nicht den Franken nachahmen sollten.

Hinweg mit diesen hinterlistigen, diesen schwachen Eingebungen! Was wahr ist, bleibt wahr, in Mainz wie in Paris, und es mag gesagt werden wo und in welcher Sprache man will. Irgendwo muß das Gute doch zuerst an den Tag kommen, und sich dann über die ganze Erde verbreiten; ein Mainzer erfand die Buchdruckerkunst; und warum nicht ein Franke die Freiheit des achtzehnten Jahrhunderts? Mitbürger, beweiset es laut, daß der Siegesruf dieser Freiheit auch in deutscher Mundart den Knechten fürchterlich klingt; verkündigts ihnen, daß sie Russisch lernen müssen, wenn sie die Rede freier Männer nicht hören und nicht sprechen wollen – was sage ich? Nein! donnert es in ihre Ohren, daß man bald alle tausend Sprachen der Erde nur aus dem Munde freier Menschen hören und den Sklaven nichts übrig lassen wird, als, nachdem sie der Vernunft entsagt haben, auch zum Bellen ihre Zuflucht zu nehmen.

Wie? Die Torheiten und Laster der Nachbarn, da sie noch von ihren Tyrannen gemißleitet wurden, drang man mit lächerlicher und strafbarer Nachahmungssucht dem Deutschen auf, man schämte sich nicht, dem Volke darin mit verderblichem Beispiel voranzugehen – und jetzt, da wir Weisheit, Tugend, Glückseligkeit, – kurz Freiheit und Gleichheit aus ihrer Hand erhalten können, will man uns warnen vor dem fränkischen Beispiel? Wer durchschaut nicht diese armseligen, ohnmächtigen Künste der sterbenden Aristokratie?

Immer entzweite die Aristokratie die Menschen miteinander, immer säete sie Zwiespalt und Haß, um ihre Herrschaft sicher zu gründen; jetzt, in ihrem gefallenen Zustande, streut sie noch erdichtete Nachrichten, verleumderische Anklagen, heimtückischen Verdacht, leere Drohungen, und tausendfache Schrecken unter das Volk, um Zeit zu gewinnen, um uns in Untätigkeit zu versenken, um Lauigkeit und Betäubung hervorzubringen und sich den Weg zur Tyrannei von neuem zu bahnen. – Allein der Geist unsrer Gesellschaft, der überall ein siegreicher Gegner jener ränkevollen Herrschgier gewesen ist, wird auch innerhalb unsern Mauern seinen unwiderstehlichen Einfluß äußern, und ihre Pläne zertrümmern. Ihren Bemühungen uns zu entzweien; setzen wir den engen, treuen Bruderbund entgegen; wollen sie den Freiheitseifer dämpfen und alle Bewegung unter uns hemmen; wohlan! so ist Tätigkeit, Betriebsamkeit, Wirken unser Grundgesetz; wir fachen die heilige Flamme an, wir spornen zur Erreichung des großen Ziels, wir ruhen nicht, bis Freiheit und Gleichheit als die unumstößlichen Grundsätze menschlicher Glückseligkeit anerkannt worden sind, wir bieten die so lang gefesselten Kräfte auf, um uns den Besitz der unschätzbaren Wohltat zu sichern, die uns durch die Ankunft unserer Brüder der Franken, ohne einen Schwertstreich zuteil geworden ist.




Quelle: Georg Forster, Sämtliche Werke, herusgegeben von G. G. Leipzig: Brockhaus, 1843, Band VI, S. 414-17.

Abgedruckt in Jost Hermand, Hg., Von deutscher Republik 1775-1795. Texte radikaler Demokraten. © Insel Verlag, Frankfurt am Main, 1968, S. 148-52.

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