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Friedrich Cotta, Von der Staatsverfassung in Frankreich (um 1793)

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Die Freiheit ist das Recht, alles das zu tun, was nicht verboten ist. In Frankreich ist aber nur das verboten, was jeder vernünftige Mensch sich selbst verbietet, nämlich das, was dem andern schadet. Solche Dinge, welche andern Menschen schaden, sind durch Gesetz verboten; in Frankreich macht aber nicht ein König oder Kurfürst oder ein Magistrat die Gesetze, sondern das Volk selbst macht sie; es erwählet nämlich Männer aus allen Provinzen oder Departementen zu einer Nationalkonvention oder Zusammenkunft, welche untersuchen müssen, was für Gesetze nötig seien, um das allgemeine Wohl zu befördern. Diese Gesetze werden dann aufgeschrieben und sind der Ausdruck vom allgemeinen Willen des Volkes.

Die Gleichheit ist das Recht, von andern zu verlangen, daß sie das tun, was man selbst tun muß, und das nicht tun, was man selbst nicht tun darf. Daher darf in Frankreich jeder reden, schreiben, drucken lassen, was er will, wenn er nur niemand dadurch beleidiget. Auch muß wegen der Gleichheit jeder Mensch in Frankreich nach seiner Einnahme Abgaben geben, jeder dem Gesetze sich unterwerfen, er heiße sonst geistlich oder weltlich, er sei reich oder arm.

Außer den Abgaben an das Volk selbst zahlt man keine anderen an einen Edelmann oder ein Domkapitel, keinen Zehenten und dergleichen. In Frankreich erziehet man verlassene Kinder auf Kosten der Republik.

Gebrechliche Arme werden da unterstützt, und arbeitslosen Armen hilft man da zu Erwerbung eines hinlänglichen Verdienstes. In Frankreich errichtet man jetzt auch Schulen, wohin jeder Bürger seine Kinder unentgeltlich schicken kann und worin sie alles das lernen können, was jedem Menschen zu wissen nötig ist.

Mit einem Worte: In Frankreich ist alles abgeschafft, was wider die Freiheit und wider Gleichheit der Rechte noch in andern Ländern und Städten gilt; dagegen sind in Frankreich alle Anstalten dazu gemacht, daß die Leute alle immer zufrieden und glücklich leben können.

Dahin zielen auch noch folgende besondere Einrichtungen, wodurch sich die Konstitution von Frankreich auszeichnet.

Ganz Frankreich ist in gewisse Bezirke, Departemente genannt, und diese sind wieder in Distrikte so abgeteilt, daß jeder Bürger in den Hauptort seines Distrikts (Amts) in einem Tage und in den Hauptort des Departements (Landes) in längstens zween Tagen zu Fuß kommen kann. Im Hauptorte des Departements wohnen die, welche das Beste des ganzen Departements besorgen und auf die Beamten der darin gelegenen Distrikte achtgeben müssen, damit diese ihre Schuldigkeit tun; sie heißen Departementsverwalter. Im Hauptorte des Distrikts sind ebenso die Distriktsverwalter, welche den Munizipalitäten vorgesetzt sind. In jeder Gemeinde nämlich sind einige Beamte, welche das Beste der Gemeinde besorgen; diese nennt man die Munizipalität, den ersten unter ihnen aber den Maire der Gemeinde; jedoch in Sachen, woran der ganzen Gemeinde besonders gelegen ist, darf auch die Munizipalität nicht für sich handeln, sondern sie muß einen Ausschuß der Bürger, Notables genannt, darum fragen. Alle diese Departementsverwalter, Distriktsverwalter, Maires, Munizipalitätsglieder, Notables, auch die Richter, Postverwalter und überhaupt alle Beamten werden von den Bürgern, für welche sie da sind, selbst gewählt; tun sie ihre Schuldigkeit nicht, so werden sie von ihren Vorstehern abgesetzt, und die Bürger wählen sich hernach andere.

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