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In der Ausstellungshalle eines Stahlwerkes (1902)

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Ebenso groß wie die Produktion vorerwähnter Eisenbahnbedarfsgegenstände ist die Erzeugung von rollendem Material. Einen Hauptzweig dieser Produktion bildet die Lieferung von Radsätzen, bei denen die Radkörper als gewalzte Scheiben aus einem Stahlblock durch Schmieden und Walzen hergestellt werden. Der Bochumer Verein war der erste, welcher diese Räder an Stelle der durch Zusammenschweißung der einzelnen Teile erzeugten Speichen- und eisernen Scheibenräder setzte. Radscheiben, welche den schwersten Gewaltproben unterzogen wurden, lassen die erstaunliche Zähigkeit und Widerstandsfähigkeit dieser Fabrikate erkennen. Beispielsweise wurde das Nabenloch eines Rades in kaltem Zustand durch gewaltsames Eintreiben konischer Dorne von 153 mm auf 231 mm erweitert, ohne daß Spuren einer Beschädigung des Rades zu finden sind. In einem anderen Falle sind Lokomotiv-Radreifen durch wuchtige Schläge eines Fallbären gestreckt worden, wobei sich ebenfalls die Widerstandsfähigkeit des Materials in glänzendem Lichte zeigte. Beide Fabrikate, Radreifen und Scheiben von den kleinsten bis zu den größten Abmessungen, sind in zwei in gefälligen Formen sich aufbauenden 10 m hohen Säulen zu beiden Seiten der Mittelhalle aufgerichtet. Wir finden ferner Radsätze aus Tiegelstahl und solche aus Siemens-Martin-Stahl, von den kleinsten für die Kleinbahnen bis zu den größten für die großen Schnellzugslokomotiven. Das fachmännische Interesse finden namentlich die modernen, in einem Stück aus besonders weichem und zähem Stahlguß gefertigten Lokomotiv-Speichenräder. [ . . . ]

Den Bau von Eisenbahnwagen, den die Firma im Jahre 1896 aufgenommen hat, sehen wir zu einem ansehnlichen Produktionszweig des Bochumer Vereins entwickelt. Ausgestellt sind verschiedenartige offene und gedeckte Güterwagen, darunter solche für die Shantungbahn, für die Holländische Bahn und für die Kgl. preußischen Staatsbahnen. Von Bestandteilen zu Bergwerks- und anderen Maschinen sind mannigfache Stahlstücke ausgestellt, unter ihnen eine 7 500 mm lange und 16 000 kg schwere Achse zu einer Bergwerksfördermaschine sowie eine schwere Kurbelwelle zu einer Hochofen-Gaskraftmaschine von 1500 PS.

Die Leistungsfähigkeit des Bochumer Vereins auf dem Gebiet der Erzeugung von Preßzylindern veranschaulicht ein aus Stahlguß hergestellter, für eine Schmiedepresse von 5000 t bestimmter Arbeitszylinder im Gewichte von nicht weniger als 34 000 kg. Solche Pressen verwendet der Verein seit vielen Jahren in seinem eigenen Betrieb, und zwar deshalb, weil die Dampfhämmer den Anforderungen, welche die heutigen Dimensionen von Wellen und anderen Stücken stellen, nicht mehr gewachsen sind. Zudem ist die Wirkung der Pressen günstiger als jene der Dampfhämmer, weil die ersteren eine gleichmäßige, ruhige, stetige, bis ins Innere eindringende Verdichtung bewirken. Davon zeugt der ausgebohrte Kern der obenerwähnten Schiffswelle.

Von den übrigen Objekten dieser interessanten Ausstellung des Bochumer Vereins nennen wir noch ein Magnetrad mit Doppelspeichen für eine Dynamomaschine, ein 16 500 kg schweres, 3 m großes Stahlgußrad mit Winkelzähnen für ein schweres Walzwerk sowie einen Konverterring. Dieser letztere repräsentiert ein Gewicht von 18 000 kg; er hat 4 m Durchmesser. Ein Rohr von 5 m Länge und 1 m lichter Weite ist auf dem Dorn hohlgeschmiedet und teils abgedreht, teils roh belassen, damit sich die Beschauer von der sorgfältigen Schmiedung überzeugen können.



Quelle: Walther Däbritz, Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfabrikation in Bochum. Neun Jahrzehnte seiner Geschichte im Rahmen der Wirtschaft des Ruhrbezirks. Düsseldorf, 1934, S. 296 ff.

Auch abgedruckt in Gerhard A. Ritter und Jürgen Kocka, Hg., Deutsche Sozialgeschichte 1870-1914. Dokumente und Skizzen. München: C.H. Beck, 1982, S. 118-21.

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