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Lebensstil und Ausgaben einer Beamtenfamilie in Berlin (1889)

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Es giebt eine nicht geringe Zahl ungefähr gleich großer Einkommen (zwischen 5–6000 Mark), die nicht unbedingt sicher und häufigen Schwankungen unterworfen sind. Das ist der Fall bei den sogenannten freien Berufen und bei vielen Angehörigen des Handels und der Gewerbe. Durch die schwankende Einnahme ist die Festsetzung der Beträge vielfach erschwert. In günstigerer Lage aber befinden sich viele Familien doch dadurch, daß ihr Stand ihnen ein viel einfacheres Auftreten ermöglicht. Der Betrag für die Wohnung ist ein geringerer, ebenso fordert die Erziehung kleinere Beträge. Ein Handwerker oder kleinerer Kaufmann, Zwischenhändler usw., der 6000 Mark verdient, kann viel eher zur Kapitalsbildung gelangen, als ein Angehöriger der höhern Stände es selbst bei äußerster Sparsamkeit imstande ist. Er kann dann den Kreis seiner Unternehmungen erweitern und den Gewinn bei kluger Berechnung der Umstände vergrößern.

Das alles fällt bei den meisten geistigen Berufen fort. Beamte, Lehrer, Prediger, Schriftsteller und Künstler, die nicht besonderes Glück haben, können wohl langsam zu höherm Einkommen gelangen, aber sie zehren fast immer das Einkommen auf, sodaß in diesen Kreisen in der Regel die Ansammlung eines nennenswerten Vermögens ausgeschlossen ist und das Erbe, das sie den Ihrigen hinterlassen, gewöhnlich nur in guter Bildung bestehen kann.



Quelle: Otto von Leixner, 1888 bis 1891. Soziale Briefe aus Berlin. Mit besonderer Berücksichtigung der sozialdemokratischen Strömungen. Berlin, 1891, S. 172-80.

Abgedruckt in Gerhard A. Ritter and Jürgen Kocka, Hg., Deutsche Sozialgeschichte 1870-1914. Dokumente und Skizzen, 3. Aufl. München: C.H. Beck, 1982, S. 344-48.

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