GHDI logo

Unwirtschaftliche Lebensführung von Arbeitern, nach Berichten bürgerlicher Kritiker (1884 und 1889)

Seite 2 von 2    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


II. Unwirtschaftliche Lebensführung? Eine Stellungnahme aus der sächsischen Industrie (1889)

Die Lebenshaltung der Bevölkerung, hier insbesondere der Arbeiterbevölkerung, scheint uns immer noch vielfach nicht den Geboten der Vernunft zu folgen, ein gegenseitiges Überbieten in prunkvoller Kleidung und im leiblichen Genusse macht sich unangenehm bemerkbar, womit die Klagen über den zu geringen Anteil am Erträgnisse der Arbeit seltsam kontrastieren. Die häufig zu hörenden Auslassungen über Verteuerung des Brotes und der Lebensmittel durch Zölle u.s.w. richten sich nicht auf jene Genußmittel, die für viele eine weit bedeutendere Ausgabe verursachen als Brot und anderes nötige. Wenn man die überfüllten Tanzsäle sieht, wenn man beobachtet, wie im Winter und Sommer Festlichkeit auf Festlichkeit und Vergnügen auf Vergnügen sich drängt, und die Leute dabei in manchen Wirtschaften z.B. für Bier geradezu horrende Preise bezahlen und dasselbe in Quantitäten genießen, die eine Ausgabe verursachen, mit welcher die Familie hätte können nicht einen Tag, sondern mehrere leben, so erscheint die ganze Lage allerdings trostlos. Hierin liegt das wahre Elend.



Quelle: Jahres-Bericht der Handels- und Gewerbekammer zu Chemnitz 1889. Chemnitz: 1890, S. 124.

Abgedruckt in Klaus Saul, Jens Flemming, Dirk Stegmann und Peter-Christian Witt, Hg., Arbeiterfamilien im Kaiserreich. Materialien zur Sozialgeschichte in Deutschland 1871-1914. Düsseldorf: Droste, 1982, S. 112.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite