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Handlungsgehilfen im wirtschaftlichen Wandel (um 1890)

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Daneben läßt sich allerdings nicht verkennen, daß auf dem rein sozialen Gebiete der Fluch des entstehenden Großbetriebs auch im Kaufmannsstande seine Wirkung zu üben beginnt, so mäßig hier die Anfänge des Großbetriebs auch sind. Selbst Georg Hiller, der gemäßigte Vorsteher des Verbands Deutscher Handlungsgehülfen, kann die Klage nicht unterdrücken, „daß sehr viele Prinzipale die Gehülfen in wenig entgegenkommender Weise behandeln; sie, die doch ebenfalls Gehülfen gewesen sind, halten den Gehülfen, der doch über kurz oder lang ihresgleichen wird, für untergeordnet, sie ziehen ihn nicht zu sich heran, sie stoßen ihn ab; seine Gesellschaft, sein gesellschaftliches Nähertreten wird nicht gelitten, der herzliche Ton, der früher noch zwischen Prinzipal und Gehülfen herrschte, wird kaum mehr angeschlagen, die zarte Rücksicht gegen den treuen Gehülfen, welche darin liegt, daß man ihm freundschaftliche Beziehungen zur Familie eröffnet, wird nicht mehr gepflegt, es wird leider in dieser Beziehung jede mögliche Schranke aufgerichtet und der Gehülfe nicht mehr vom Prinzipal als Fleisch von seinem Fleisch, nicht mehr als sein Mitarbeiter, sondern nur als sein Arbeiter angesehen. Naturgemäß müssen sich dann die Verhältnisse auch im Kaufmannsstande lockern und es muß eine gewisse Verstimmung Platz greifen“.

Wenn so die moderne Entwickelung im großen Ganzen den abhängigen Teil des kaufmännischen Standes kaum schlechter gestellt haben dürfte als früher, sondern eher seine Lage absolut gehoben hat, so wäre es doch daneben möglich, daß relativ, im Verhältnis zu anderen socialen Schichten, der Commis sich verschlechtert habe. Und zwar nicht nur im Verhältnis zu einem Teil seiner Prinzipale, sondern auch im Vergleich mit den arbeitenden Klassen; und hier nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern im Zusammenhang damit auch in seinem socialen Ansehen. Nicht sowohl durch das stärkere Eindringen unbemittelter Elemente in den Stand, die keine Aussicht auf künftige Selbständigkeit haben und dem entsprechend auch an Fähigkeiten und Bildung zurückstehen können; denn dieses Schicksal teilt die Klasse der Commis mit denen anderer Arbeitnehmer; sondern wohl in erster Linie durch die über alle Volksschichten ausgebreitete Elementarbildung. Der Commis war früher durch seine Schrift- und Formgewandtheit ein kleiner Aristokrat; heute hat er einen Teil dieses Prestige eingebüßt. Der Allgemeinbesitz der Schreibkunst muß zugleich den Zudrang zum kaufmännischen Stande sehr wesentlich verstärkt, die Konkurrenz der Stellensuchenden erheblich verschärft, die materielle Lage des Commis der des Arbeiters angenähert haben. Und damit verbindet sich, daß aus einer Reihe von anderen Quellen dem Commis neue Konkurrenz zuströmt und seinen Stand herabdrückt. [ . . . ]

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