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Exklusivität und die Unternehmerschaft in Remscheid (1880er Jahre)

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Ich hatte das Glück, nicht all zu viele Schwierigkeiten bei der Aufnahme in die Gesellschaft zu finden, weil einige Jahre zuvor einer meiner Vettern eine Kusine der Erfinder geheiratet hatte. Ich gehörte also nach den Remscheider Regeln, trotzdem ich ein „hergelopener Kerl" war, doch gewissermaßen noch zur Verwandtschaft und wurde infolge dieser Legitimation ohne Vorbehalt auf das freundschaftlichste aufgenommen. Der Remscheider ist im Verkehr zuvorkommend, liebenswürdig und gastfrei, den Fremden gegenüber aber zurückhaltend und vorsichtig. [ . . . ]

Die Tätigkeit der Mitglieder der Remscheider oberen Gesellschaftsklasse war, wie schon erwähnt, in erster Linie eine kaufmännische. Es war daher erklärlich, daß die Söhne alle wieder als Kaufleute ausgebildet wurden. Damals war es üblich, daß die jungen Leute die Schule bis Prima besuchten, dann eine dreijährige Lehrzeit durchmachten, davon das letzte Jahr des Sprachstudiums wegen oft im Ausland. Nach Abschluß der Lehrzeit trat der junge Mann zunächst in das väterliche Geschäft ein, um die Fabrikation [ . . . ] und die Absatzverhältnisse kennen zu lernen. Im Anschluß daran gingen die jungen Herren gewöhnlich für drei Jahre zu einer väterlichen Filiale ins Ausland, um den Gebrauch der Werkzeuge, die Ansprüche und Wünsche der Kundschaft, die Konkurrenzerzeugnisse sowie die Sprachen kennen zu lernen. Nach diesen drei Jahren kehrten sie dann meist wieder nach Remscheid zurück und wurden bald Teilhaber und auch Familienväter. Mitunter mußte diese Auslandsreise, meist für drei Jahre, wiederholt werden, nicht selten mit Frau und Kindern.

Auf allen Remscheider Büros wurde fleißig gearbeitet. Morgens um 7 Uhr saß der Chef im Büro beim Öffnen der von Boten abgeholten Post und gab Anweisungen zur Erledigung der Eingänge. Zwischen 8 und 9 Uhr gönnte sich dann der Chef eine halbstündige Frühstückspause, während das Personal bis 12 Uhr weiterarbeitete, um nach zweistündiger Mittagspause bis zur Erledigung der Post bis 7 Uhr, häufig aber auch bis 8 Uhr zu bleiben. In einigen älteren Geschäften hatte man den früheren familiären Brauch beibehalten, um 4 Uhr nachmittags eine Tasse Kaffee zu reichen, die zwischen der Arbeit auf dem Büro getrunken wurde.



Quelle: R. Bungeroth, 50 Jahre Mannesmannröhren 1884-1934. Berlin: VDI-Verlag, 1934, S. 5ff. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages.

Abgedruckt in Gerhard A. Ritter und Jürgen Kocka, Hg., Deutsche Sozialgeschichte 1870-1914. Dokumente und Skizzen, 3. Aufl. München: C.H. Beck, 1982, S. 325-26.

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