GHDI logo

Ein Magdeburger Kaufmann erinnert sich an einen Kaiserbesuch (1880)

Seite 2 von 3    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Wir hatten als Mitglieder der speciellen Commission die Ehre, die in Begleitung der städtischen Spitzen ankommenden Herrschaften zuerst zu begrüßen und ihnen vorgestellt zu werden, und noch heute bin ich des Glückes voll, über die Leutseligkeit und die Güte, welche die hohen Herrschaften und ganz besonders Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz zeigten. Unvergeßlich ist mir die namentlich nach Tische im anstoßenden großen Arbeitssaal der Loge, der für diesen Tag zum Empfang der hohen Herrschaften und zur Einnahme des Kaffees hergerichtet war, vom Kronprinzen gezeigte Herablassung und Leutseligkeit, wie seine freundlichen und scherzenden Bemerkungen im Gespräch. Unvergeßlich ist mir aber auch das große gütige Auge unseres geliebten alten Kaisers, als er, dicht vor mir stehend, uns Stadtverordnete auf dem Alten Markte bei seiner Ankunft mit freundlichen Worten begrüßte. Herrlich waren auch die Worte, welche Seine Kaiserliche Hoheit der Kronprinz in Erwiderung auf die Rede und das Hoch des Oberbürgermeisters auf den Kaiser und das Herrscherhaus sprach. Es waren erst einige Tage vergangen, seitdem die Verlobung unseres jetzigen Kaisers mit der Prinzessin Auguste Victoria von Schleswig-Holstein, unserer erhabenen Kaiserin, erfolgt war. Er sprach darüber und sagte, es sei ihm eine besondere Freude, daß er gerade in Magdeburg zuerst im großen Kreise dies freudige Ereigniß berühren könne, der Stadt, für die seine Großmutter, die unvergeßliche Königin Luise, so viel Liebe gehabt hätte, und dann sprach er den Wunsch aus, daß seine zukünftige Schwiegertochter, unsere jetzige erhabene Kaiserin, einstmals auch so viel Liebe im Volke finden möge, wie sie der verewigten hohen Frau stets und vor allen Dingen in ihrem herben Leid um das Vaterland zu Theil geworden sei. Und wie ist dieser Wunsch zur Wahrheit geworden!

Ein schönes theures Andenken hat mir der Tag gebracht. Meine Frau hatte zu der kleinen Frühstückstafel in der Ausstellung die Champagnergläser gegeben, und unter meinen Augen bezeichnete und verpackte der Diener die Gläser, aus denen Kaiser Wilhelm und der Kronprinz getrunken hatten, und sie bilden mit darauf gravirter Inschrift und Krone einen theuren Familienschatz meines Hauses.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite