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John Prince-Smith: Auszüge aus seinen gesammelten Schriften (1843-63)

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der Erweiterung wirthschaftlicher Freiheit, dann entsteht plötzlich die Nachfrage nach mehr Arbeitern. Aber mehr Arbeiter sind nicht plötzlich zu haben; sie müssen erst in vermehrter Zahl erzogen werden, und dazu gehören mehrere Jahre; und während dieser Zeit herrscht ein gesteigerter Lohn, und dieser gewöhnt an gesteigerte Lebensansprüche, erhöht mithin das Maass von Befriedigungsmitteln, welches die Kapitalisten gewähren müssen, um ihren Bedarf an Arbeitern in dem bisherigen Verhältnisse befriedigt zu sehen. Um aber bestimmte Lebensansprüche festzuhalten, muss die Arbeiterklasse schon an einen einigermassen gesicherten Unterhalt, an Sauberkeit und eine bescheidene Anständigkeit ihrer Häuslichkeit, sowie an gewisse geistige und gesellige Befriedigungen gewöhnt sein; sie muss durch Selbstgefühl einen sittlichen Halt in sich haben; und dieses erreicht sie nur in der volkswirthschaftlichen und politischen Freiheit. In dem Umstande, dass die Hebung der materiellen Lage der Arbeiterklasse wesentlich durch ihre geistige und sittliche Hebung gesichert wird, liegt das goldene Gesetz des gesellschaftlichen Fortschritts. — Das Elend der untersten Volksschicht darf übrigens nicht mit Noth der Arbeiterklassen verwechselt werden. Die wirklich in das Wirthschaftssystem eingereihten Arbeiter, deren Kräfte durch Kapital genügend unterstützt werden, leben keineswegs im Elende; der Kapitalist kann sie nur dann brauchen, wenn er sie so ernährt, dass sie einen Kraftüberschuss haben, denn nur dieser kommt ihm zu Gute. Die wirklich Darbenden sind solche, deren Arbeitskraft fast gar nicht durch Kapital unterstützt wird und daher entsprechend wenig schafft, solche, die noch auf einer vorwirthschaftlichen Stufe stehen geblieben sind, und für deren Einreihung in den eigentlichen Wirthschaftsbetrieb das vorhandene Kapital noch nicht ausreicht. Doch lässt sich zur vollen Beschäftigung Aller das genügende Kapital unschwer und sogar rasch schaffen bei voller Freiheit der wirthschaftlichen Bewegung*), — wenn nur nicht der Staat zu viel vom Geschafften verschlingt.


* Unerwähnt darf nicht bleiben, dass in manchen Länden, z.B. in Deutschland, ein grosser Theil des Bodens in den Händen von Bauern ist, denen die Intelligenz zur Kapitalsverwendung auf den Ackerbau ganz fehlt. Es kann also der Preis der Nahrungsmittel nicht gleich den Preisen der Gewerkswaaren verwohlfeilert werden. Der Lohn hat aber in den Preisen der Gewerkswaaren eine Schranke, während die Ernährung der Arbeiter vom Verhältniss zwischen seinem Lohn und den Preisen der Nahrungsmittel abhängt.



Quelle: John Price-Smith, „Der Markt, eine Skizze“, in John Prince-Smith’s gesammelte Schriften, Hg. Otto Michaelis und Karl Braun-Wiesbaden. Berlin: Verlag von F.A. Herbig, 1877-80, Band 1, S. 19-22.

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