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Jakob Marx über die Ausstellung des heiligen Rockes in Trier (1844)

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Diese so ungewöhnliche, ihrer Wurzel nach einer überirdischen Welt entsprungene, so großartige als liebliche Erscheinung mußte auf alle denkenden Menschen, auf jedes fühlende Herz einen ergreifenden Eindruck machen, und hat selbst Männer, welche anfangs nicht ohne mißtrauisches Vorurteil diese religiöse Bewegung ins Auge gefaßt hatten, von der Reinheit und Echtheit ihrer Quelle und ihrer Triebfeder überzeugt. Der Independant, ein ministerielles Blatt in Frankreich, spricht sich über diese religiöse Manifestation, „in welcher Frankreich und Deutschland sich einander begegnet" in folgender Weise aus: „Seit dem Augenblicke der Ausstellung des heil. Rockes in der Kathedrale zu Trier haben wir schweigend die Bewegung eines Teiles des katholischen Europas beobachtet. Die Begeisterung, von welcher die ersten Nachrichten darüber erfüllt waren, hat uns nicht überzeugt; denn der Aberglaube und die Leichtgläubigkeit haben auch ihre Begeisterung, und es ist diese wohl zu unterscheiden von jener, welche die Religion und der Glaube einflößen. Nunmehr aber ist kein Zweifel mehr statthaft: diese Millionen (!) von Christen, welche zu der altehrwürdigen Metropole von Trier zusammenströmen, sind von dem reinsten Glauben beseelt; diesen Eindruck machen auf Menschen, die gewohnt sind nur handgreiflicher Gewißheit ihre Zustimmung zu geben, diese zahlreichen Prozessionen, in welchen alle Klassen der bürgerlichen Gesellschaft untereinander vermischt einhergehen, wo der Gelehrte neben dem Landmanne wandelt, die Professoren gelehrter Universitäten Danklieder singen im Chore mit den Handwerkern. Ganze Städte, geführt von ihren städtischen Behörden, begeben sich in Prozession nach Trier in wunderbarer Ordnung, und in dem Augenblicke, wo sie die Schwelle des heiligen Schiffes betreten, stimmen die männlichen und harmonischen Stimmen der Pilger die ernsten Gesänge an, welche Frömmigkeit der Religion geweiht hat, und die in Deutschland ein eigentümliches Gepräge tiefernster Majestät tragen."

Eine solche erhabene Einheit und Vereinigung von Menschen aus verschiedenen Völkern, so verschiedener intellektueller Bildung, aus jedem Alter, Stande und Geschlechte ist nur in dem Glauben der katholischen Kirche möglich; in diesem Glauben, der in den verschiedensten Zonen und bei allen Völkern der Erde derselbe ist, der für alle seine Lehren, Satzungen und Übungen von dem Gelehrten und dem Ungelehrten, dem Adligen und dem Bürgerlichen, dem Reichen und dem Armen dieselbe demütige Anerkennung, denselben Gehorsam und dieselbe eifrige Pflichttreue fordert, und dafür auch allen ohne Unterschied seine segenreichen, sittlich veredelnden Gaben spendet. Ja, solcher wunderbaren Einheit erfreut sich allein jener Glaube, der in seiner ganzen Wesenheit den Deutungen menschlicher Willkür gänzlich entrückt ist, der sich nicht modeln läßt nach den Einfällen der wechselnden Tagesweisheit und des Zeitgeistes, nicht zurichten nach den Wünschen und Sonderinteressen eines Standes oder einer Klasse der bürgerlichen Gesellschaft, der sich nicht in die Dienstbarkeit einer Nation, eines Staates herabziehen läßt, sondern unabänderlich und unantastbar jeder irdischen Macht, wie der Herr, der ihn gegeben und der Himmel, aus dem er gekommen, seine Natur bewahrt, mit sanfter Macht beherrschend alle, die bis zur Beseligung ihm ihre Herzen öffnen, ohne sich selber beherrschen, und bindend alle zu einem neuen

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