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Jakob Marx über die Ausstellung des heiligen Rockes in Trier (1844)

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Aber es gibt ein Band, das alle jene Unterschiede unter den Menschen aufhebt, die durch dieselben gebildeten Scheidungen und Einzelgruppierungen derselben auflöst, und über alle räumlichen Grenzen nach Ländern und Reichen, und alle Sonderungen nach Alter, Stand, Geschlecht, Vermögen, Bildung und Lebensbeschäftigung, ja selbst über die Marken des Todes und der Zeit hinaus die Menschen zu einer großen, wunderbaren Einheit vereinigt und zu einem vielgliedrigen mystischen Leibe zusammenfügt. Dieses Band aber ist der katholische Glaube, in der katholischen Kirche; und ein Bild dieser Einheit haben wir geschaut in dem großartigen Feste, welches an unsern Blicken vorübergegangen ist. Alle die Tausende und Tausende von Menschen, die sonst im Leben sich in ihren eigentümlichen Kreisen bewegen, ihre verschiedenen Wege gehen und Tendenzen verfolgen, sie haben sich in Einem geeinigt gefunden miteinander, als Brüder sich geschaut, und dies in ihrem Glauben, in ihrer Treue und Anhänglichkeit gegen die Kirche. Hier bei diesem Feste war nicht der Franzose, nicht der Deutsche, nicht der Belgier, nicht der Schweizer, der Bayer, der Badenser, nein es war hier der Katholik, der in jedem andren Pilger, wessen Landes und Volkes er sein, welche Sprache er sprechen, welchem Stande er angehören mochte, seinen eigenen Glauben, Übereinstimmung in den wichtigsten und heiligsten Angelegenheiten der Menschen und die wohltuendste Harmonie in frommen Gefühlen wiederfand, der sich mit jedem derselben durch ein himmlisches Band in Christo und seiner Kirche vereinigt fühlte. Ja, es war auch nicht der Gelehrte, nicht der Reiche, nicht der Kaufmann, nicht der Künstler, nicht der Ackersmann, der sich hier bei dem Feste eingefunden und in der Eigentümlichkeit seines Standes- oder Berufslebens aufgetreten wäre, nein, es war der fromme Gläubige, der hierher gekommen, es war der treue Sohn der über die ganze Erde, durch alle Stände ausgebreiteten Kirche, der unter der Fahne des Welterlösers gekommen, unter welcher wir alle Brüder und Schwestern sind, Kinder eines Vaters, berufen zu demselben Erbteil, wie der heil. Paulus sagt: „Denn ihr alle seid Kinder Gottes durch den Glauben, der in Christo Jesu ist. Denn, ihr alle, die ihr in Christo getauft seid, habet Christum angezogen. Da ist weder Sklave noch Freier, da ist weder Mann noch Weib; denn ihr alle seid eins in Christo Jesu."

Daher haben sich denn auch alle die Fremden, wie fern sie sich sonst der Heimat, der Sprache und ihrer bürgerlichen Stellung nach gestanden, sogleich einander gekannt, einander geliebt, fanden sich einander wie alte Bekannte und tauschten im vertraulichen Verkehre, ohne Rückhalt, ihre Gesinnungen und Gedanken gegeneinander aus. Wo Pilger zusammentrafen, da haben sie sich, gleichviel aus welchem Lande, welcher Provinz und Stadt, sofort als Bekannte betrachtet, als zusammengehörend. Das zeigte sich unter andern in lieblicher Weise, als der Bischof von Amsterdam mit dem Dampfbote von Trier ab gen Koblenz fuhr und viele Pilger, aus verschiedenen Diözesen, Provinzen und Städten, auf demselben sich befanden. Über der Fahrt war gemeinschaftlich gebetet, gesungen worden; und als das Schiff bei Koblenz anlandete, senkten die Pilger alle, so als sei jener aller Bischof, sich auf die Knie und empfingen zum Abschiede von ihm und zum Schlusse ihrer Pilgerfahrt den bischöflichen Segen.

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