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Auszüge aus dem Staats-Lexikon: „Geschlechterverhältnisse” (1845-1848)

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XIV. Das Petitionsrecht der Frauen und vorzüglich auch dessen Schicklichkeit in bestimmten Fällen vertheidigte neuerlich ein kräftiger Redner in dem amerikanischen Congresse. Die Verhandlung fand Statt bei Gelegenheit einer Petition von Frauen zu Gunsten der Aufhebung der Sklaverei, dieses scheußlichsten aller Institute in menschlichen Gesellschaften. Mit welchem rechtlichen, mit welchem christlichen Grundsatz wollte man wohl christliche Frauen, die ja auch in den ersten Christengemeinden eine so würdige und bedeutende Rolle spielten, diese natürlichsten Vertreterinnen religiösen Sinnes und humaner Milde, selbst von dem Rechte der Bitte um Aufhebung eines solchen unchristlichen, Verderben bringenden Schandfleckes ihres Vaterlandes ausschließen!

XV. Die Zulassung der Frauen zu den landständischen Versammlungen hat sich nun in Baden, in den beiden Kammern der Stände, seit mehr als 20 Jahren als völlig unschädlich und als heilsam bewährt. Nie habe ich auch nur den geringsten Nachtheil davon anführen hören. Wohl aber hat diese Theilnahme der Frauen auf würdigen, anständigen Ton und vorzüglich auf eine lebendige und würdige öffentliche Meinung — diese Seele aller freien Verfassungen — sichtlich wohlthätig eingewirkt. Die Frauen — gerade weil sie nicht an den leidenschaftlichen Kämpfen unmittelbaren entscheidenden Antheil nehmen, sich auch um keine Orden und Aemter bewerben, und da also ihre freie Meinungsäußerung nicht durch Leidenschaft und niedrige Motive der Furcht und der Interessen bestochen ist, wie die so vieler Männer — die Frauen mit ihrem feinen unmittelbaren Sinne und Takte für das Würdige, mit ihrem schnellen Blicke insbesondere für männliche Würdigkeit und Unwürdigkeit, haben zu allen Zeiten, so weit sie Antheil nahmen an der öffentlichen Meinung, dem Würdigen und Rechten ihre Beistimmung gegeben. Sie haben gewiß auch veredelnde Kenntnisse und Gefühle und höhere Gesichtspunkte in ihre häuslichen und gesellschaftlichen Kreise und Unterhaltungen und vor Allem in ihre mütterlichen Erziehungsbeschäftigungen aus dieser Theilnahme am Oeffentlichen zurückgebracht.

XVI. Auch öffentliche Rechte, welche an bestimmte Grundstücke oder Vermögensbesitzungen geknüpft sind und nur nicht in unmittelbarem Mitstimmen und Mitdiscutiren in öffentlichen Männerversammlungen und in Ausübung öffentlicher Aemter bestehen, also auch Stimmrechte, die durch Bevollmächtigte abgegeben werden, können unverheirathete und verwittwete selbstständige Frauen eben so ausüben, wie sie auch Gewerben und ökonomischen Wirthschaften vorstehen dürfen. Von beiden enthalten auch englische und französische Gesetze Beispiele.

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Quelle: Carl von Rotteck und Carl Welcker, Hg., Das Staats-Lexikon: Encyklopädie der sämmtlichen Staatswissenschaften für alle Stände, zweite neubearbeitete und vermehrte Auflage. Altona: Verlag von Johann Friedrich Hammerich, 1845-48, Bd. 5, S. 654-56, 660-62, 665, 670, 672-73.

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