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Einführung zur ersten Nummer der Frankfurter Hefte (April 1946)

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Wir erwarten also „nachdenkliche“ Leser. Wir glauben, daß wir so der Erneuerung Deutschlands einen Dienst erweisen – wir, das heißt die Herausgeber, die Mitarbeiter und jene Leser schon inbegriffen. Das Dunkel um uns soll sich lichten. Wir wollen alle mithelfen, das Undurchsichtige und das Rätselhafte, das uns bedroht, zu klären, soweit das uns, die wir eben aus einem Abgrund kommen, und dem Menschengeist überhaupt vergönnt ist.

Wir möchten indes mehr: nämlich den Leser, den wir nachdenklich gemacht haben, aus dieser Nachdenklichkeit zu notwendigen Scheidungen und Entscheidungen bringen, ihm Mut zum Nein geben und noch mehr Mut zum Ja. Wir wiederholen es, weil es wichtig ist: Mut zum Nein und noch mehr Mut zum Ja, und wir möchten die Kraft des Herzens und des Geistes, die dazu gehört, mit Einsicht nähren. Das klärende und nährende Wort, das hier zu lesen sein wird, soll vom christlichen Gewissen bestimmt sein; die Welt aber, auf die es sich bezieht, ist nicht etwa „das Religiöse“, sondern die ganze, vielschichtige, reiche, arme Wirklichkeit.

Wir hoffen, obgleich wir noch fast allein sind, daß alle in Deutschland, die wach und unruhig sind, ein solches Wort und eine solche Sprache verstehen werden, alle „Aufgeschlossenen“, die Lebendigen und Fragenden – eine Elite, die aus allen sozialen Schichten, Altersklassen und „Richtungen“ kommt. Wir hoffen, denn sonst hätten wir nicht den Mut gehabt, anzufangen. Mancher, der durchaus etwas zu sagen hätte, ist aus zweifelnder Vorsicht, die fast betäubten Ohren des Volkes möchten noch nicht aufnahmefähig, die Herzen noch immer verschlossen sein, und aus der Besorgnis vor vorschnellen Parolen bisher lieber stumm geblieben; auch war die Geschichte der letzten dreißig Jahre nicht gerade dazu angetan, in den Schriftstellern die Lust und den Mut zu programmatischer Arbeit zu erwecken. Auch wir hatten es mit solchen Bedenken zu tun. Aber wir sind am Ende doch zu der Meinung gekommen, daß viele Menschen im Lande gerade jetzt, da sich die Wasser einer propagandistischen Sintflut verlaufen haben, nach Sichtung und Orientierung verlangen. Und so sind wir denn an die Arbeit gegangen.



Quelle: Frankfurter Hefte, Zeitschrift für Kultur und Politik, herausgegeben von Egon Kogon und Walter Dirks, Jg. 1, April 1946, H. 1, S. 2 f.

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