GHDI logo

Die psychische und physische Situation der Ostheimkehrer (undatierter Bericht)

Seite 3 von 3    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


4. Heimkehrer treten in die Tür und warten, bis sie angesprochen werden und befolgen dann willig und dienstbeflissen alle Anordnungen.

5. Einer gesteht nach Wochen, dass es ihn eine schwere Überwindung kostet, an einem Müllhaufen vorüberzugehen, ohne dort nach „Brauchbarem“ herumzuwühlen.

6. Beim Essen stürzen sich alle auf die Schüsseln, machen die Teller übervoll und fragen nicht danach, ob auch der andere noch etwas bekommt, obwohl sie sich alle sattessen können.

7. Sie sind „stur“ geworden, treffen keine selbständigen Entschlüsse, drücken sich von der Arbeit, wenn es dabei nichts zu „ernten“ gibt.

8. Das sonst dem Deutschen eigene Arbeitsethos ist durch jahrelange sinnlose Tätigkeit verloren gegangen. (Im Herbststurm Laub zusammenrechen, das der Sturm sofort wieder verweht; Mauern errichten, die am anderen Tage infolge anderer Befehle wieder abgerissen werden . . .)

b) Die physische Beschaffenheit. Alle zeigen schwere Hungeroedeme (Gesicht, Unterleib und Füsse), zum Teil Herz- und Lungenleiden, Muskelschwund. 10% waren Amputierte.


II. Die Betreuung

a) Die gesundheitliche Betreuung. Nach der Aufnahme (Anlegung eines Personalbogens) erfolgt am ersten Tage die ärztliche Untersuchung. Die nötigen Medikamente werden besorgt. An Zusatzernährung wird gewährt:

1. Durch das Wirtschaftsamt eine gewisse Menge Butter, Fleisch, Käse und Nährmittel sowie täglich 1/3 Liter Vollmilch.
2. Zusätze durch das evangelische Hilfswerk in Form einer täglichen Morgensuppe (pro Tag 100g Schrot, 25g Zucker) und im Monat insgesamt 10kg Mehl für Saucen (für 40 Männer).
3. Zusätzliche Kartoffeln durch freiwillige Spenden.

Behandlung der Wassersucht: Carellscher Milchtag, ¾ Liter Vollmilch, Ausscheidung bis 5 ½ Liter Wasser, salzarme Kost, geringe Flüssigkeitsaufnahme (abends keine Getränke), Medikamente.
Für Lungengefährdete: Untersuchung im Lungensanatorium Brillon-Wald, durchschnittlich 1/3 der Heimkehrer.
Herzleidende: 15%, Zahnbehandlung: 80%, Anweisung für Brillenträger: 10%

Erfolg: Zunächst Gewichtsabnahme (Wasserausscheidung), dann rasche Gewichtszunahme innerhalb der ersten Woche. In vier Wochen durchschnittlich 25 Pfund. Das Wasser verschwindet aus dem Gesicht, später aus dem Unterleib, zumeist nicht vollkommen aus den Füssen. Das Aussehen wird frischer, die Kräfte nehmen bald zu. Im Allgemeinen weitgehende Besserung, doch noch nicht völlige Wiederherstellung der alten Kräfte. Körperliche Arbeit setzt in der dritten Woche ein. (Hilfe im Haus, Holzhacken, Hilfe bei Ortseinwohnern).



Quelle: Die psychische und physische Situation der Ostheimkehrer. (Beobachtungen und Erfahrungen im Heimkehrerhotel Willingen). Evangelisches Zentralarchiv in Berlin, 2/529.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite