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Die psychische und physische Situation der Ostheimkehrer (undatierter Bericht)

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3. Ein junger Heimkehrer kommt mit dem Abendzug ins Hotel zu uns, wagt nicht, in die erleuchteten Zimmer einzutreten, verkriecht sich ein einen dunklen Raum und wartet, bis er am anderen Morgen entdeckt wird.

b) Geistige Betreuung: Mit körperlicher Besserung wird das Auftreten sicherer, das Interesse wächst. Man sitzt nicht mehr stundenlang vor sich hinstierend und geistig abwesend herum, liest gern Unterhaltungsbücher, bemüht sich um eine Arbeitsstelle, spielt gern eine Art Tisch-Billard (Spende vom YMCA), musiziert auf verschiedenen Musikinstrumenten, nimmt an Veranstaltungen teil: Kirchgang, Musikabende, Vorträge, Jugendabende, spricht auch leichter jetzt vom Vergangenen und nimmt regen Anteil an Presseberichten. Man übt Kritik an denen, die noch nicht von der „russischen Kultur“ lassen können, fühlt sich aber besonders als ein neuer zivilisierter Mensch, wenn man durch das evangelische Hilfswerk in Korbach neu eingekleidet wurde.

Der Heimkehrer wird weitgehend unterstützt bei der Suche nach einer Arbeitsstelle. Stellenangebote durch Bauern, Handwerker und Baufirmen sind reichlich vorhanden. Zuzugsgenehmigung erfolgt durch den Flüchtlingskommissar in Giessen. Bisher wurden alle 150 wunschgemäss untergebracht. Zwei Amputierte wurden nach dem Umschulungsheim in Rotenburg o.d. Tauber (1 ½ Jahre Lehrzeit) weitergeleitet.

Jeder Heimkehrer erhält Taschengeld und Briefpapier, ferner die Vergütung der Fahrtkosten bei der Arbeitssuche. Das Heim bemüht sich weiter, die bisher fehlende Verbindung mit den Angehörigen herzustellen.

c) Die seelische Betreuung; Das Ziel ist, die besonders hart getroffenen Ostheimkehrer zu vollwertigen Gliedern des Volkes zu machen. Die psychologischen Krankheitssymptome (Komplexe, Hemmungen) sollen weder abreagiert, noch auf- oder zugedeckt werden, sondern sollen langsam abklingen. Die Erkenntnis, dass er ohne Christus nicht vollwertiger Mensch sein kann, soll in ihm erweckt werden.

Zunächst sind die Heimkehrer von der Möglichkeit, sich in unserem Heim erholen zu können, überrascht und sagen erstaunt: „Dass es noch so etwas gibt!” Sie fühlen sich geborgen, verlieren etwas von der Angst, ohne ausreichende Kräfte in den rücksichtslosen Daseinskampf geworfen zu werden. Man empfindet dankbar, dass es noch “Christen” gibt und ist zumeist bereit, aufgeschlossen an der Morgenwache teilzunehmen. Die dem Heim zugesandten Schriften werden gerne entgegengenommen.

Ansatzpunkte zur religiösen Betreuung: Auslegung des Bibeltextes unter Betrachtung zeitnaher Zustände und des Menschen, wie er ist. Der Ostheimkehrer hat den Glauben an den Menschen verloren. Er ist auf Grund seiner Erfahrungen Skeptiker oder Pessimist geworden. Wir wollen ihm helfen, ein lebens- und menschenbejahender Realist zu sein. Er soll die Unzulänglichkeit und Verwerflichkeit des Menschen und seiner Einrichtungen erkennen und wissen, dass er selbst erlösungsbedürftig ist. Die Frage: „Wie kann es in uns und um uns besser und anders werden?“ soll uns bewegen. Er soll erfahren, dass Tatchristentum („seid aber Täter des Wortes“) nicht aus eigener Kraft möglich ist: „ohne Dich können wir nichts tun“.

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