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„Der gestrenge Ehemann”: Leserzuschriften aus dem Neuen Deutschland (14. November 1959)

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Die „Beleidigung“

Genosse S. wollte jedoch nichts einsehen, und so gab ich ihm sehr deutlich zu verstehen, daß ich ihn für einen rückschrittlichen, egoistischen Mann halte und von einem Staatsfunktionär - einem Vorbild - etwas anderes verlangen würde. Na, damit hatte ich zuviel gesagt. Die junge Frau mußte auf Geheiß ihres gestrengen Ehemannes sofort kündigen und ich nach drei Tagen meinen Urlaub abbrechen. Die Schulsekretärin, Frau F. sagte mir: „Frau S. hat kündigen müssen, weil Sie ihrem Mann gesagt haben, daß er seiner Frau zu Hause einmal etwas zur Hand gehen könne. Das hat Herr S. als eine große Beleidigung empfunden.“

Nun frage ich mich: Ist es denn für einen Mann eine Beleidigung, im Haushalt einmal mit zuzugreifen? Wenn ja, so stehen wir Frauen ja tagtäglich unter dieser „Beleidigung“. Ach was gibt es doch für lächerlich verschrobene Ansichten, die so vielen Männern, sogar Staatsfunktionären, noch anhaften und in ihren Köpfen herumspuken. Da legt die Partei in ihren Beschlüssen genau dar, daß und warum wir so dringend Arbeitskräfte brauchen. Da kämpft die Partei um die volle Gleichberechtigung der Frau deren Grundlage ja die Berufstätigkeit ist, und setzt sich mit allen Ansichten auseinander, die der Gleichberechtigung den Weg versperren. Aber unser Staatsfunktionär, Mitglied der Partei... Nein, da findet man kaum noch Worte.

Nur Konzessionen machen?

Und was der Direktor der Hilfsschule, ebenfalls ein Genosse, sagte, als er von meiner Auseinandersetzung mit dem Staatsfunktionär hörte? Mein Direktor meinte, ich hätte die Aufgabe gehabt, mit diesem Herrn ruhig zu sprechen und ihn zu besänftigen, nicht aber, ihm die Wahrheit so unverblümt zu sagen. Also haben wir Frauen den Männern in jeder Hinsicht nur Konzessionen zu machen? Da frage ich mich bloß, ob diese Männer gar nicht wissen, in welcher Zeit wir eigentlich leben.

Charlotte Täuscher, Torgau, Fischeraue



Quelle: Neues Deutschland, 14. November 1959; abgedruckt in Dierk Hoffmann und Michael Schwartz, Hg., Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 8: 1949-1961: Deutsche Demokratische Republik. Im Zeichen des Aufbaus des Sozialismus. Baden-Baden: Nomos, 2004, Nr. 8/205.

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