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DDR-Justizministerin Hilde Benjamin: „Wer bestimmt in der Familie?” (1. Februar 1958)

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Auch die Regelung des Familienunterhalts wird nach dem Grundsatz der Gleichberechtigung getroffen. Hier zeigt es sich, dass den gleichen Rechten der Frau auch gleiche Pflichten entsprechen. Die herrschende Stellung des Mannes kam in der bürgerlichen Gesetzgebung auch darin zum Ausdruck, dass ihm die Hauptverantwortung für den Unterhalt der Familie übertragen war. Wir vertreten die Auffassung, dass diese Verpflichtung gleichmäßig zwischen den Ehegatten zu teilen ist. Natürlich kann die Ehefrau, die keinem Beruf nachgeht, nicht durch Geldleistungen zum Familienunterhalt beitragen; ihr Beitrag besteht hier in der Haushaltsführung und in der Sorge für die Kinder. Ist aber die Frau berufstätig, so steuert auch sie die entsprechenden Geldbeträge bei.

Ein wichtiges Gebiet, in dem sich die Gleichberechtigung in der Ehe besonders ausdrückt, ist das des sogenannten ehelichen Güterrechtes. Hier handelt es sich vor allem darum, zu regeln, wem die Anschaffungen und Ersparnisse gehören, die im Laufe einer Ehe gemacht wurden, wer darüber verfügen kann, und wie es damit im Falle der Scheidung zu halten ist. Hier gehen wir zur Zeit davon aus, dass grundsätzlich alles das, was ein Ehegatte an Besitz und Vermögenswerten in die Ehe gebracht hat, sein Eigentum bleibt und er deshalb auch allein darüber verfügen kann. Auch was jeder Ehegatte aus seinen Mitteln während der Ehe erwirbt, wird sein alleiniges Eigentum. Werden aber Anschaffungen von beiden Ehegatten gemeinsam gemacht und trägt jeder von seinem Verdienst dazu bei, so werden diese Sachen auch gemeinsames Eigentum.

Diese Lösung scheint zunächst einfach und überzeugend. Ihre Schwierigkeiten liegen jedoch darin, dass während der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus, in der wir stehen, die Familien keineswegs ein einheitliches, sondern ein sehr verschiedenartiges Bild zeigen. Ich sagte, dass in 18,3 Prozent aller Familien die Frau berufstätig ist. Wie sieht es in den übrigen 81,7 Prozent aller Familien aus?

Es gibt Ehen, wo der Mann oder auch die Frau es besser finden, wenn die Frau „zu Hause“ bleibt und nicht berufstätig ist. - Es gibt Familien mit Kindern, in denen die Frau einen Beruf erlernt hat und bis zu ihrer Ehe berufstätig war, aber aus objektiven Gründen nicht in der Lage ist, neben der Versorgung ihrer Familie auch noch beruflich zu arbeiten. - Es gibt vor allem auch „alte“ Ehen wo die Frau entweder überhaupt keinen Beruf erlernt hat oder aber ihren Beruf seit ihrer Heirat jahrzehntelang nicht mehr ausgeübt hat.

In allen diesen Fällen hat der Mann allein eine Erwerbstätigkeit ausgeübt, hat er allein aus seinen Mitteln Anschaffungen vorgenommen und gegebenenfalls Ersparnisse machen können. Wie ist hier die Stellung der Frau?

Würde man auch hier dabei bleiben, dass jedem das gehört, was mit seinen Mitteln angeschafft ist, so wäre im Falle der Scheidung alles vorhandene Vermögen Eigentum des Mannes; die Frau würde leer ausgehen. Um hier Ungerechtigkeiten zu vermeiden, hat die Rechtsprechung des Obersten Gerichts auf der Grundlage des verfassungsmäßigen Gleichberechtigungsgrundsatzes den sogenannten Ausgleichsanspruch entwickelt. Danach hat die Frau einen Anspruch auf einen Teil des während der Ehe vom Mann erworbenen Vermögens, dessen Höhe vom Gericht zu bestimmen ist und bis zur Hälfte dieses Vermögens gehen kann.

Wenn auch die rechtliche Regelung der Ehescheidung nicht unmittelbar eine Frage der Gleichberechtigung ist, so gibt es auch da wichtige Zusammenhänge. Denn solange die Frau nicht wirtschaftlich unabhängig ist, wird sie bei einer Scheidung in der Regel wirtschaftlich und besonders die ältere Frau, auch menschlich wesentlich schwerer getroffen als der Mann.

Wir gehen davon aus, dass der sozialistische Staat in der Ehe die unterste und wichtigste Einheit in der Gesellschaft sieht und schätzt; Inhalt des sich entwickelnden sozialistischen Bewusstseins ist auch eine neue Ehemoral, die leichtfertig Ehescheidungen ablehnt. Wir können feststellen, dass die Statistik über die Ehescheidungen in der DDR beweist, dass sich die Ehe zunehmend festigt. Seit dem Jahr 1950 geht die Zahl der Ehescheidungen ständig zurück. Gerade weil die sozialistische Gesellschaft Ehen braucht, die den Ehegatten selbst, die vor allem aber auch den Kindern eine fortschrittliche Entwicklung verbürgen, lässt er die Scheidung einer Ehe nur unter einer einzigen Bedingung zu: nur dann nämlich, wenn die Ehe so tiefgehend und unheilbar zerrüttet ist, dass sie jeden Sinn verloren hat und es aussichtslos ist, dass sie jemals wieder die Aufgabe einer richtigen Ehe wird erfüllen können. Ist das der Fall, dann ist der Staat nicht mehr an der Aufrechterhaltung der Ehe interessiert; dann soll diese Auflösung aber auch wirklich eine „reinliche Scheidung“ sein.

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