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Schreiben Karl Lewkes an das Zentralkomitee der SED (2. Dezember 1945)

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Die Entlassenen rekrutieren sich fast ausschließlich aus der sogenannten OK-Gruppe (ohne Kraft), die aus dem Innern Russlands und auch aus Sibirien herangeschafft werden.

(Die russischen Kriegsgefangenen sind in
I – Schwerarbeiter,
II – Arbeiter,
III – leichte Arbeit,
IV – Schwach und OK eingeteilt.)

Nach bis zu siebenwöchiger Fahrt klettern sie in mitleiderregendem Zustand aus die [sic] Waggons. Vom Bahnhof bis in die Kasernen brauchen sie mehrere Stunden, da sie sich nur mühselig schleichend vorwärts bewegen können. Ein kurzfristiger Aufenthalt in den Lagern Frankfurts frischt sie soweit auf, dass die aus den Strassen Berlins bekannten Gestalten doch noch irreführend wirken. Gerade aber in dieser Zeit sind sie antikommunistischen Einflüsterungen ausgesetzt. Ihre Männer suchende Frauen aus Westdeutschland bringen betörende Schilderungen mit. Sogar das Brot soll da schon markenfrei sein. Die Verhältnisse in Ffo. sind auch nicht dazu angetan, dass die Gefangenen von den Zivilisten eine winzige Hoffnung mit auf den Weg bekommen würden. Von drei Seiten ständig von Übergriffen bedroht (Rotarmisten geringfügig, als „normal“ zu bezeichnen, beteiligt, - schlimmste Kategorie die ostwärts fahrenden Ostarbeiter, die sich hier die letzte Chance nicht entgehen lassen wollen, - drittens über die Oder kommenden Polen) leben sie außerdem unter sehr schlechten Lebensbedingungen.

Das sogenannte Stammpersonal – die deutsche Lagerleitung – leidet unter der moralischen Belastung, dass sie faktisch von den Entlassungen, die sie täglich vorbereiten und durchführen, ausgeschlossen sind (Dementsprechende konkrete Vorschläge habe ich unterbreitet). Die rein organisatorische Belastung ist auch nicht zu unterschätzen. Es fehlt selbst bei der im Lager 69 bestehenden Antifa an genauen Richtlinien und festen Arbeitsmethoden. Ihre Unterlagen beschaffen sie sich nur aus den Zeitungen. Der Durchschnitts-Landser setzt außerdem der Antifa – ähnlich wie einst dem „Freien Deutschland“ als vermeintlich russischer Instanz – einen gewissen innerlichen Widerstand entgegen.

Dem wäre nur durch von außen hineingeschickte – mit dementsprechenden Dokumenten ausgerüstete – Genossen zu begegnen. Wobei natürlich die praktische Unterstützung der Antifa keineswegs als nicht notwendig betrachtet werden soll.
Die Genossen da drinnen brauchen sie mehr denn jeden anderen Ortes. Mit einigen Gratiszeitungen ist noch gar nichts getan. Ein spezielles Referentenmaterial wäre das mindeste und was man als erstes für sie tun könnte.
Weiteres wird sich aus der Zusammenarbeit ergeben.

Die Partei am Ort ist nicht in der Lage, eine derartige Aufgabe zu erfüllen. Die Parteigenossen sind durch genannte materielle Bedingungen auch stark beeinflusst.
Es erhebt sich überhaupt die Frage, ob die KPD allein diesem Problem zuleibe gehen kann, oder alle vier antifaschistischen Parteien gemeinsam vorgehen sollen. Da sich auch Frauen und Mädchen – im gleichen verhungerten, elenden Zustand – unter den Ankommenden befinden, ergibt sich eine neue, zusätzliche Aufgabe für den zentralen Frauenausschuss.

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