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Presseerklärung von Maria Weber, Hauptabteilung Frauen im DGB, über die berufstätige Frau und die soziale Situation der Familie (30. August 1960)

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Falsche Einschätzung der Frauen-Erwerbsarbeit
Aus den vorgenannten Tatsachen geht hervor, daß die Frauenerwerbsarbeit nicht nur vorübergehend ist. Die falsche Einschätzung der Frauenbeschäftigung als vorübergehender Zustand ist die Ursache für die bisher eindeutige Benachteiligung der Frau

a) bei der Berufsausbildung:
Diese Auffassung ist in zahlreichen Fällen der Anlaß, warum Mädchen keine oder nur eine unzureichende Berufsausbildung erhalten, obwohl geistige Voraussetzungen für die qualifizierte Berufsausbildung vorliegen;

b) bei der Entlohnung:
Ihr Arbeitsverdienst wird sehr oft nur als Zu-Verdienst angesehen und ist deshalb häufig die Ursache für die ungerechte und niedrigere Bezahlung der Frauenarbeit;

c) bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes:
Beim Bau von Maschinen und Arbeitsgeräten ist bisher die körperliche Konstitution der Frau zu wenig berücksichtigt worden.

Die Gewerkschaften fühlen sich verpflichtet, dafür zu sorgen, daß auch die Frauen den Arbeitsplatz bekommen, den sie sich auf Grund ihrer geistigen Fähigkeiten und handwerklichen Geschicklichkeiten verdienen, und zwar nicht nur in Notzeiten, nicht nur im Notdiensteinsatz und im Katastrophenfall. In diesen Zeiten haben Frauen immer bewiesen, daß sie dazu befähigt sind. Darum beanspruchen wir diese Plätze in normalen Zeiten und für die Dauer des gesamten Arbeitslebens.

Die soziale Situation der Familie
Für die allermeisten Frauen stellt sich allerdings nicht die Frage, ob sie arbeiten wollen. Sie müssen arbeiten und Geld verdienen,

a) weil sie allein stehen,
b) weil sie durch ein besonderes Schicksal der Ernährer ihrer Familien sind,
c) weil das Einkommen des Ehemannes nicht ausreicht,
d) weil die Kinder eine gute Berufsausbildung haben sollen.

Die Gewerkschaften bedauern, daß viele Mütter mit kleinen Kindern aus materieller Not gezwungen sind, zu arbeiten, weil die Betreuung der Kinder durch die Mütter nicht hoch genug bewertet werden kann.

Aber auch die Mütter selbst leiden darunter. Sie erleiden zudem durch doppelte Belastung oft auch gesundheitlichen Schaden. Leichtfertig werden solche Mütter von Außenstehenden abgeurteilt.

Bei einer solchen Verallgemeinerung ist an alleinstehende Mütter überhaupt nicht gedacht. Aber auch in vielen Familien sind die Mütter gezwungen, zum Lebensunterhalt beizutragen, da diese Familien einkommensmäßig auf der Stufe von Fürsorgeempfängern stehen. Die Ergebnisse einer Denkschrift des Bundesfamilienministeriums und einer Untersuchung der Hauptabteilung Frauen beim DGB sowie andere Erhebungen beweisen, daß es falsch ist, wenn so oft behauptet wird, die Frauen arbeiten, um sich Luxusgegenstände anzuschaffen.

Selbstverständlich arbeiten auch Frauen und Mütter in Betrieben und Büros, die nicht aus materieller Not dazu gezwungen werden. Immer sollte aber die persönliche Entscheidung respektiert werden. Kein Außenstehender kann beurteilen, warum eine Frau arbeitet. Es ist zweifellos sehr anerkennenswert, wenn Eltern um der Kinder willen auf viele Dinge, auf die sie auch ein Recht hätten, freiwillig verzichten. Es gibt aber auch Eltern, die, um ihren Kindern mehr geben zu können, beide arbeiten gehen. Sie dürfen deshalb nicht in der Öffentlichkeit diffamiert werden.

Andererseits wäre es wünschenswert, wenn in eindringlichster Weise von allen Organisationen und Institutionen ohne verletzende Äußerungen den Familien klargemacht würde, wie wertvoll die Mutter daheim für die Familie ist, und daß nur materielle Not Zwang sein dürfte, wenn Mütter mit kleinen Kindern einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund muß aber ebenso erwarten, daß alle diese Verbände und Institutionen, die sich für die Frau und die Familie verantwortlich fühlen, seine sozialpolitischen Forderungen unterstützen, damit nicht mehr die materielle Not der Anlaß für die Erwerbstätigkeit von Müttern mit Kindern ist.

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