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Rechenschaftsbericht des Zentralen Frauenausschusses (Bergmann-Borsig) zum 10-jährigen Bestehen der Frauenausschüsse (1962)

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Allein diese wenigen Beispiel zeigen deutlich, daß die Wirtschafts-, Partei- und Gewerkschaftsfunktionäre der Rolle der Frau in der sozialistischen Gesellschaft unterschätzen.

Wie will der Betrieb Bergmann-Borsig z. B. weitere Frauen zur Erlernung eines technischen Berufes gewinnen, wenn die bisher übliche Praxis eindeutig beweist, daß man bereits vorhandene qualifizierte Frauen versauern läßt.

Desweiteren stellen wir fest, daß unsere leitenden Mitarbeiter eine Kaderpolitik betrieben, die im Widerspruch zum Wesen unseres Staates steht. So ist es gang und gäbe bei uns, wenn eine ‘gut bezahlte Planstelle’ zu besetzen ist, daß ein Mann eingestellt wird. Es ist auch gar nicht von Bedeutung, daß er aus einer artfremden Tätigkeit hervorgegangen ist. Er erhält ab sofort das dementsprechende Gehalt. Anstatt einer langjährigen berufserfahrenen Mitarbeiterin das Vertrauen zur Ausübung dieser Tätigkeit und Unterstützung zu geben, hat diese Kollegin dann die Ehre, ihre Kenntnisse und Erfahrungen dem Unwissenden beizubringen. Was bei männlichen Kollegen mit Hochschulabschluß selbstverständlich ist, wird bei einer Frau zum Problem. [ . . . ]

Noch einige Bemerkungen zur Aktivistenbewegung. In den vergangenen 10 Jahren haben 24 Kolleginnen eine Staatsauszeichnung – Aktivist, bzw. Medaille für Ausgezeichnete Leistungen erhalten. Darunter sind 3 Kolleginnen, Kollg. T., Kollg. S. und Kollg. J., die diesen Titel zweimal erhalten haben. Und voller Stolz können wir berichten, daß die Kollegin F. R. bereits 6-fache Aktivistin ist. Sie ist es auch, die als einzige Vertreterin unseres Betriebes im obersten Organ unseres Staates, in der Volkskammer, als Abgeordnete die Interessen der Werktätigen vertritt.

Demgegenüber steht die Aktivistenauszeichnung von 456 Kollegen. Das ist fürwahr eine beschämende Bilanz für die Männer. Wir können doch keinesfalls behaupten, daß unsere Frauen und Mädchen keine, oder geringere aktivistische Leistungen vollbracht haben. Nein, so ist das doch gar nicht. Aber warum sieht man nicht die Leistungen unserer Arbeiterinnen an der Stanze im Generatorenbau oder in der Fräserei, die im Schichtsystem fleißig, pflichtbewußt arbeiten, Wartezeiten vermieden, Qualitätsarbeit leisten, nicht bummeln, im Produktionsaufgebot ihren Mann stehen und Haushalt und Kinder versorgen? Doch nur weil sich einige Kollegen nicht freimachen wollen von der althergebrachten Auffassung, in der Frau nur den „Kochtopfaspiranten und Latschwärmer“ zu sehen. Und noch nicht das Neue, die große Wandlung der Frau unseres sozialistischen Staates begriffen haben.



Quelle: LAB (StA), Rep. 432, Nr. 448; abgedruckt in Peter Becker und Alfred Luetke, Hg., Akten, Eingaben und Schaufenster. Die DDR und ihre Texte. Erkundungen zu Herrschaft und Alltag. Berlin: Akademie Verlag, 1997, S. 219-22.

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