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Stellungnahme der Eherechtskommission der Evangelischen Kirche in Deutschland zu dem Entwurf eines Familienrechtsgesetzes (Dezember 1952)

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Die evangelische Kirche hat freilich keinen Grund, sich für die unveränderte Aufrechterhaltung der allgemeinen Entscheidungsgewalt des Mannes einzusetzen. Sie kann durchaus einer Neufassung des § 1354 zustimmen, welche die Ehegatten zu gemeinsamer Entscheidung verpflichtet und nur im Konfliktfall dem Ehemann die Entscheidung überläßt. In diesem Fall sollte auch die ausdrückliche Bestimmung Platz greifen, daß der Ehemann gesetzlich gehalten ist, den Versuch gemeinsamer Willensbildung auf alle Fälle zu machen, daß das willentliche Unterlassen eines solchen Versuches bereits den Tatbestand des Mißbrauchs des Entscheidungsrechts des Mannes darstellt und in diesem Falle die Verbindlichkeit seiner Entscheidung aufgehoben ist. Die evangelische Kirche könnte sich allenfalls sogar unter der Bedingung mit einer ersatzlosen Streichung des bisherigen Entscheidungsrechts des Mannes in der Ehe abfinden, daß das modifizierte Entscheidungsrecht des Vaters den Kindern gegenüber aufrechterhalten bleibt.

Die Kommission sieht sich durch das evangelische Verständnis der Ehe nicht schlechthin genötigt, für die Aufrechterhaltung eines Entscheidungsrechtes des Ehemannes einzutreten. Die Heilige Schrift kennt eine geistliche Überordnung des Mannes über die Frau nicht. Die apostolischen Mahnungen an die Frau, sich dem Manne unterzuordnen, können deshalb sinngemäß nur auf das Eheleben in nicht geistlichen Dingen bezogen werden. Diese Mahnungen können nicht dadurch für die Gegenwart unverbindlich gemacht werden, daß man sie für zeitbedingt erklärt. Trotz dieses Bedenkens hält aber die Kommission, obwohl also durch eine Aufhebung der ehemännlichen Entscheidungsgewalt ein Unterschied zwischen evangelischer Eheauffassung und gesetzlicher Normierung sichtbar würde, die Aufrechterhaltung der Entscheidungsbefugnis des Ehemannes als rechtliche Norm für das innere Verhältnis der Ehegatten nicht schlechthin für geboten. Sie würdigte die Bedenken, die einer Vergesetzlichung des Verhältnisses von Christus zur Gemeinde entgegenstehen, das nach apostolischer Meinung für das Verhältnis von Mann und Frau in der Ehe vorbildlich ist (vgl. Eph. 5, 22, 23). Sie wurde in ihrer Haltung mit dadurch bestärkt, daß ein gesetzlich normiertes Entscheidungsrecht für das rechtlich kaum faßbare Verhältnis der Gatten zu einander den Richter vor die für ihn fast unlösbare Aufgabe der Feststellung und Beurteilung von Tatbeständen stellen würde, die sich vielfach der Beurteilung der Nächstbeteiligten entziehen.

B. (§ 1634): Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern ist ein grundsätzlich anderes als das zwischen den Ehegatten. Ebenso ist die Autorität des Vaters eine andere als die der Mutter. Für Amt und Autorität des Vaters muß in der Gestaltung der Ehe ebenso Raum sein wie für die der Mutter. Vater- und Mutterautorität sind gleichwertig, aber nicht gleichartig. Sie sind aufeinander bezogen, durcheinander bedingt und stellen keine isolierten Rechte dar. Die christliche Kirche, die Gott als den Vater verehrt, kann mit der Beseitigung der väterlichen Entscheidungsgewalt nicht den Anschauungsgehalt dieses Bekenntnisses und der entsprechenden apostolischen Mahnungen preisgeben.

Das Letztentscheidungsrecht ist für die Mutter von keiner Seite in Anspruch genommen worden. Wenn dieses Letztentscheidungsrecht nicht beim Vater liegen sollte, so könnte es nur auf eine Instanz außerhalb der Familie übertragen werden. Gegen eine generelle Einschaltung einer dritten, insbesondere staatlichen Stelle in die Entscheidung den Kindern gegenüber sprechen die gleichen entscheidenden Bedenken, die für den Bereich des Verhältnisses der Ehegatten bereits dargestellt wurden.

Auch Vormundschaftsrichter können falsch entscheiden. Die Gefahr, daß sie gedankenlos und routinemäßig entscheiden, ist sogar nach der Ansicht der Kommission größer als bei den Vätern. Es kommt hinzu, daß ein Eingriff des Staates in die der Familie vorbehaltene Sphäre in einer Zeit und in einem Volke, das die Gefahren staatlichen Totalitätsanspruchs innerlich noch nicht überwunden hat und das die Auswüchse totalitären Staatsdenkens vor sich sieht, besondere Gefahren in sich birgt. Bedeutung und Gefahr einer solchen Regelung liegt nicht nur in den einzelnen Entscheidungen des Gerichts, sondern auch darin, daß die ausgedehnte ständige Möglichkeit seiner Anrufung das Verhältnis der Ehegatten beeinflußt. Das ist im Notfall unvermeidlich, im Regelfall für den Bestand der Ehe gefährlich. Es erscheint gerade in dieser Situation besonders wichtig, die notwendigen Entscheidungen, so weit als irgend tragbar, innerhalb der Familie zu behalten.

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