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Ein Skeptiker betrachtet die Hexenverfolgung eingehender – Friedrich von Spee (1631)

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27. Und das heißen dann selbst die Beichtväter, selbst Geistliche verstockt und unbußfertig gestorben. Da sagen sie, sie habe sich nicht bekehren, nicht von ihrem Buhlen lassen sondern habe ihm die Treue halten wollen.

28. Geschieht es aber, daß irgendeine Angeklagte unter solchen Folterqualen den Geist aufgibt, dann behaupten sie, der Teufel habe ihr das Genick gebrochen. Zum Beweis dafür kommen sie mit einem unwiderleglichen Argument; willst du das verwenden, so wird dir am Ende der Beweis gelingen, daß es keinen einzigen Menschen gibt, dem nicht zuletzt so vom Teufel das Genick gebrochen wird, wie oben dargelegt.

29. Darum wird, wie billig und selbstverständlich, der Leichnam vom Henker unter den Galgen hinausgeschleppt und dort begraben.

30. Stirbt die Gaja aber nicht und wagen ängstliche Richter nicht, sie ohne neue Indizien weiter zu foltern noch sie ohne Geständnis zu verbrennen, dann wird sie im Kerker festgehalten, in festere Ketten gelegt, um dort bis zu einem vollen Jahr mürbe gemacht zu werden, solange bis sie unterliegt.

31. Sie kann sich ja niemals, wie die Gesetze es haben wollten, durch Überstehen der Tortur reinigen und das ihr einmal angehängte Verbrechen abschütteln. Es wäre beschämend für die Inquisitoren, eine einmal gefangene Person so wieder herauszulassen. Wen sie erst einmal gefangen haben, der muß um jeden Preis schuldig sein.

32. Inzwischen wie auch nachher und schon vorher schickt man ihr unwissende, ungestüme Priester, die noch unleidlicher als die Henkersknechte selbst sind. Ihre Aufgabe ist es, die Unglückliche auf jede Weise zu peinigen, bis sie sich zu guter Letzt schuldig bekennt, ob sie es wirklich ist oder nicht. Wenn sie das nicht tue, versichern sie, gebe es schlechtweg keine Rettung für ihre Seele, könne sie nicht mit den Sakramenten versehen werden.

33. Daß aber nicht ruhigere, unterrichtetere Priester Zutritt erhalten, die ein wenig Haar auf den Zähnen haben, dafür ist die äußerste Vorsorge getroffen. Desgleichen auch dafür, daß kein Unbeteiligter ins Gefängnis gelassen wird, der den Angeklagten Rechtsbeistand leisten oder die Fürsten unterrichten könnte. Viele Richter und Inquisitoren fürchten nämlich nichts mehr, als daß sich etwa irgendwie etwas zeigen könnte, durch das die Unschuld der Gefangenen ans Licht käme. Darum behandeln manche fürstlichen Inquisitoren solche Männer, denen die Fürsten selbst nicht nur die Sorge für die Jugend ihrer Reiche, sondern auch für ihr eigenes Seelenheil anvertrauen möchten, derart, daß sie sie von der Seelsorge der Gefangenen fernhalten, wie sehr sie auch nach ihnen verlangen mögen. Und, was noch mehr ist, es haben letzthin einige an der Tafel vornehmer Herren zu äußern gewagt, sie müßten als Störer der Rechtspflege aus dem Lande gejagt werden.

34. Mittlerweile aber, während die Gaja, wie geschildert, noch immer im Gefängnis zurückgehalten und von denjenigen gepeinigt wird, die es am allerwenigsten tun dürften, — da gebricht es den gewissenhaften Richtern nicht an schönen Kunstgriffen, mit denen sie nicht bloß neue Indizien gegen Gaja finden, sondern ihr (so die Götter wollen) ihre Schuld derart ins Gesicht beweisen können, daß sie jedenfalls dann durch den Spruch der Gelehrten einer Akademie zum Feuertode verurteilt werden wird. Das ist weiter oben geschildert worden.

35. Manche jedoch lassen die Gaja zum Überfluß noch exorzieren, sie an einen anderen Ort bringen und danach abermals foltern, ob vielleicht durch diese Ortsveränderung und Entsühnung der Schweigezauber gebrochen werden könnte. Kommt man aber auch damit nicht voran, so lassen sie sie endlich lebendig ins Feuer werfen. Wenn sie so umkommen muß, ob sie ein Geständnis abgelegt hat oder nicht, dann möchte ich um der Liebe Gottes willen wissen, wie hier irgend jemand, er sei noch so unschuldig, soll entrinnen können? Unglückliche, was hast du gehofft? Warum hast du dich nicht gleich beim ersten Betreten des Kerkers für schuldig erklärt? Törichtes, verblendetes Weib, warum willst du den Tod so viele Male erleiden, wo du es nur einmal zu tun brauchtest? Nimm meinen Rat an, erkläre dich noch vor aller Marter für schuldig und stirb. Entrinnen wirst du nicht. Das ist letzten Endes die unselige Folge des frommen Eifers Deutschlands.

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