GHDI logo

Otto Grotewohl, Ministerpräsident der DDR: Rede „Für das Glück unserer Mütter und Kinder” (27. September 1950)

Seite 3 von 4    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Auch das sogenannte Grundgesetz des Bonner Marionettenstaates behauptet, Männer und Frauen seien gleichberechtigt. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Die Frau ist schon deshalb zurückgesetzt, weil sie nicht die gleichen Möglichkeiten der beruflichen Ausbildung hat und weil sie bei gleichen Leistungen nicht den gleichen Lohn erhält wie der Mann. Aber das Bonner Kolonialregime enthält der Frau auch die ihr gebührende familienrechtliche Gleichstellung vor. Während das sogenannte Grundgesetz in seinen ersten Artikeln (Art 3) die Gleichberechtigung feierlich proklamiert, läßt es in seinen Schlußbestimmungen (Art 117) ausdrücklich zu, daß das entgegenstehende Recht noch bis zum 31. März 1953 in Kraft bleiben kann und infolgedessen auch heute noch angewendet wird. Die Verhältnisse in Westdeutschland bestätigen also erneut den schon von August Bebel aufgestellten Satz, daß die Befreiung der Frau nur in einer wahren Demokratie möglich ist.

Mit der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik wurde in diesem Teil Deutschlands, vor allem auf dem Gebiete des Familienrechts, eine völlig neue Lage geschaffen. Es ist deshalb erforderlich, ein neues Familienrechtsgesetz zu erlassen. Das vorliegende Gesetz über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau beauftragt in seinem Artikel 18 mit dieser Aufgabe das Ministerium der Justiz. Dieses Ministerium hat seine Arbeiten so zu beschleunigen, daß die Regierung noch in diesem Jahre die Vorlage der Volkskammer einreichen kann.

Alle Berufe stehen offen!

Zum III. Abschnitt „Die Frau in der Produktion und der Schutz ihrer Arbeit“ wiederhole ich meine bereits getroffene Feststellung. Ohne die gleichberechtigte Einbeziehung der Frau in das Wirtschaftsleben gibt es keine gesellschaftliche Gleichberechtigung. Sie gibt Millionen Frauen die Möglichkeit, ihr Leben nach eigenem Wunsch und Willen zu gestalten und sich eine eigene Stellung in der Gesellschaft zu erarbeiten. Grundsätzlich sind alle Berufe und Arbeiten den Frauen zugänglich zu machen. Die Vorurteile, die gegen den Einsatz der Frauen, in vielen Fällen noch bestehen, sind energisch zu bekämpfen.

Wenn wir die Verhältnisse in den kapitalistischen Staaten oder in dem von diesen kapitalistischen Mächten besetzten Westdeutschland und West Berlin betrachten, können wir feststellen, daß trotz der formalen Gleichberechtigung der Geschlechter große Unterschiede bei der Entlohnung bestehen. Die Frauen erhalten bei gleicher Arbeit einen weit geringeren Lohn. Zum Beispiel betrug in Westdeutschland im März 1950 der Durchschnittslohn für Männer pro Stunde 134,0 Pfennig und der Durchschnittslohn für Frauen pro Stunde nur 86,1 Pfennig. Das sind also nur 66 Prozent des normalen Lohnes.

Mit der Parole „Die Frau gehört ins Haus“ werden die Frauen von der Ausbildung zu qualifizierten Fachkräften abgehalten und damit von leitenden Positionen in Staat und Wirtschaft ausgeschlossen. Auch die Frage der „Doppelverdiener“ wird mit dieser Parole beantwortet und damit die Frau zum Dienstmädchen des Mannes herabgewürdigt.

Solange die Frau aber nicht die Möglichkeit hat, sich die theoretischen und praktischen Kenntnisse für leitende Positionen in Staat und Wirtschaft anzueignen, ist an eine politische und wirtschaftliche Gleichberechtigung nicht zu denken.

Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik hat deshalb bestimmt, daß bei der Ausarbeitung der Nachwuchspläne die bevorzugte Einbeziehung und Ausbildung der Frauen in allen qualifizierten Berufen festzulegen ist. Die volkseigenen Betriebe haben für das planmäßige Anlernen von Frauen und für ihre Ausbildung zu qualifizierten Facharbeiterinnen zu sorgen. Die Frauen sollen unter der Anleitung von besonders qualifizierten Facharbeitern und Ausbildern durch Kurse und Arbeitsberatungen von der Verrichtung einfacher bis zur selbständigen Erledigung komplizierter Arbeiten geschult werden. Die für den Besuch von Fachkursen und Fachschulen für Stipendien vorgesehenen Mittel müssen zu einem größeren Anteil als bisher für Frauen zur Verfügung gestellt werden. Die Berufung bewährter, demokratisch gesinnter Frauen in leitende Stellungen muß kühner und im weitaus stärkeren Maße vorgenommen werden. Die Leistungen der mit verantwortlichen Aufgaben betrauten Frauen, ich denke hierbei an unsere Bürgermeisterinnen, Direktorinnen in Betrieben und unsere weiblichen Funktionäre in den Organisationen und Verwaltungen, haben bewiesen, daß die Frauen durchaus die Fähigkeiten haben und mit der Größe ihrer Aufgaben wachsen.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite