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Die Neue Zeitung über die öffentliche Diskussion zur Gleichberechtigungsproblematik (13. Januar 1949)

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Ehezwist bedroht Verfassung
Im Falle der völligen Gleichberechtigung ergeben sich eine Reihe von Fragen: Wer soll zum Beispiel den ehelichen Wohnsitz bestimmen? Beide? – Wer soll die elterliche Gewalt über das Kind haben? Wenn Mann und Frau gleichberechtigt, aber verschiedener Meinung sind, wer soll dann entscheiden? Der Vormundschaftsrichter kann es nicht, denn wenn er entweder dem Mann oder der Frau das Recht zugesteht, verletzt er die Verfassung, wonach beide gleichberechtigt sind. – Weitere Frage: Wenn die Frau Stillgeld bekommt, bezieht es dann auch der Mann?

Es wird weiter darauf hingewiesen, daß in vielen sozialpolitischen Gesetzen die Frau mit Fug und Recht Vorrechte hat. Dabei wird an den Mutterschutz und an den Schwangerschaftsschutz erinnert und an das Verbot längerer Arbeitszeit. Bei dem sozialen Fortschritt, der ganz allgemein für die nächsten Jahre und Jahrzehnte erwartet wird, rechnet man damit, daß die Frau auf Grund ihrer biologischen Verschiedenheit vom Mann immer mehr Vorrechte erhalten sollte. Man könnte beispielsweise an ein Verbot der Nachtarbeit denken.

Gleichen Rechten würden gleiche Pflichten entsprechen. Dabei wird gefragt: Ist die Frau bereit, Feuerwehrdienst zu tun oder etwa bei Deicharbeiten mitzumachen? Die Tatsache, daß Frauen während des Krieges zu allen möglichen Diensten herangezogen worden sind, scheint kein Gegenargument zu sein. Denn es wird gefragt, ob die Zustände, die unter dem früheren Regime herrschten, als normal angesehen werden sollen und ob die Frauen eine Wiederholung dessen wünschen, was ihnen damals zugemutet wurde.

Als ein sehr wesentliches Problem wird ferner das eheliche Güterrecht angesehen. Dieses ist nach den jetzt noch geltenden Bestimmungen durchaus auf die »höhere Tochter« zugeschnitten, die ein Vermögen mit in die Ehe brachte, über das sie als Frau nicht mehr frei verfügen konnte.

Hier ergibt sich die Frage, ob man als allgemein geltendes Recht die Gütertrennung in der Ehe einführen oder ob man zu dem Errungenschaftssystem kommen will. Wenn nun eine Frau durch ihre Arbeit und durch ihre Sparsamkeit in der Ehe etwas erworben hat und wenn diese Ehe durch das Verschulden des Mannes, der ein Verschwender oder leichtsinniger Mensch ist, geschieden wird, ist dann die Frau verpflichtet, dem Mann die Hälfte des von ihr Erworbenen auszubezahlen? Das Sorgerecht für die Kinder, das Unterhaltsrecht der Frau, die Bestimmungen des Vormundschaftsrechts enthalten weitere Vorrechte der Frau, die bei einer Verwirklichung der Forderung nach völliger Gleichberechtigung wegfallen würden.

Keine sofortige Emanzipation Man hält es deshalb in Bonn für unmöglich, die Gleichberechtigung als sofort geltendes Recht einzuführen. Vielmehr will man dem Gesetzgeber die Aufgabe und die Pflicht auferlegen, die Gleichberechtigung der Frau sinngemäß und unter Erhaltung ihrer Vorrechte, auf die sie Anspruch erheben kann, herbeizuführen. Aus diesem Grunde hat Frau Dr. Helene Weber (CDU) den Antrag eingebracht: »Männer und Frauen haben die gleichen Rechte und Pflichten. Die Gesetzgebung hat dies auf allen Rechtsgebieten zu verwirklichen.« Es wird dabei betont, daß diese Formulierung einen Programmpunkt darstellt, an den sich zu halten der Gesetzgeber verpflichtet ist. Tut er es nicht, so wird er gegen die Verfassung verstoßen. Man glaubt in Bonn, daß in der neuen Demokratie die Kontrolle der Öffentlichkeit stark genug sein wird, um zu garantieren, daß der Gesetzgeber auch in dieser Hinsicht seine Pflicht erfüllt.



Quelle: Die Neue Zeitung, 13. Januar 1949; abgedruckt in Klaus-Jörg Ruhl, Hg., Frauen in der Nachkriegszeit 1945-1963. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1988, S. 159-62.

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