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„Gutmachung nationalsozialistischen Unrechts”: Artikel von Oberregierungsrat Ernst Heller in Die Neue Zeitung (19. März 1949)

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Die Betreuung der Verfolgten besteht nicht nur in Geldleistungen, die Verfolgten genießen auch einen besonderen arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz, ein Vorrecht in Wohnungsangelegenheiten. Mehrere Länder in der US-Zone haben Hunderte von Zimmereinrichtungen, die auf Grund eines Staatsauftrages angefertigt wurden, an Verfolgte verteilt, ihnen in der Zeit vor der Währungsreform Rundfunkempfänger und Bezugscheine für Schuhe und Textilien gegeben. Geldbeihilfen dienen zur Existenzgründung, zur Überbrückung einer augenblicklichen wirtschaftlichen Notlage oder zur Fortsetzung einer infolge der Verfolgung unterbrochenen Ausbildung.

Alle diese Beträge sind nicht hoch und werden nur im Falle einer nachgewiesenen Notlage gegeben. Hinterbliebene erhalten laufende Renten, die bei der Lage der Staatsfinanzen allerdings nicht mehr als ein bescheidenes Auskommen ermöglichen können. Daneben erfolgt eine gesundheitliche Betreuung derjenigen, die nachweislich durch die Verfolgung Schaden an ihrer Gesundheit genommen haben. Eine Reihe von Heimen, auch für Kinder, die die Leiden in den KZ-Lagern mit ihren Eltern teilen mußten, werden von den Wiedergutmachungsbehörden unterhalten oder finanziell unterstützt.

Alle diese Zuwendungen erfolgen erst nach sorgfältiger Prüfung der politischen Vergangenheit und der wirtschaftlichen Lage des Antragstellers.

Für die US-Zone ist ein neues Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts vom Länderrat angenommen, von der Militärregierung bisher aber noch nicht bestätigt worden. Dieses neue Gesetz sieht Entschädigungszahlungen an Verfolgte in der US-Zone unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Notlage vor. Sie sollen für jeden Haftmonat 150 DM erhalten. Vermögensschäden sollen im Verhältnis 1 DM für je 10 RM im Laufe der nächsten Jahre ausgezahlt werden.

Baldiger Abschluß erhofft

Mit diesen Zahlungen auf Grund des neuen Gesetzes soll die Wiedergutmachung so rasch, als es die geringen Staatsmittel erlauben, im wesentlichen abgeschlossen werden. Dann wird noch die Aufgabe bleiben, für Hinterbliebene zu sorgen und für die, die infolge ihrer Verfolgung arbeitsunfähig geworden sind.

Aber alle diese Leistungen der Wiedergutmachungsbehörden können nicht restlos wiedergutmachen, was geschehen ist. Niemand kann der Ehefrau den in den Gaskammern gestorbenen Ehemann, den Kindern ihre Eltern wiedergeben. Die im KZ-Lager oder in Gefängnissen verbrachte Lebenszeit ist unwiederbringlich verloren. Die Hemmung in der Fortbildung, die Entfremdung vom eigentlichen Beruf in den Jahren der Emigration können nicht wiedergutgemacht werden. Man kann nur Wunden verbinden, die Narben werden bleiben.



Quelle: Ernst Heller, „Gutmachung nationalsozialistischen Unrechts“, Die Neue Zeitung, 19. März 1949; abgedruckt in Udo Wengst, Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland. Bd. 2/2: 1945-1949: Die Zeit der Besatzungszonen. Sozialpolitik zwischen Kriegsende und der Gründung zweier deutscher Staaten. Dokumente. Baden-Baden: Nomos, 2001, Nr. 253, S. 571-73.

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