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Die Zentralstelle der Evangelischen Bahnhofsmission: Arbeitsbericht (1945/46)

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2. Die praktische Betreuungsarbeit hat es jetzt mit übersichtlichen Gruppen zu tun.

a) Die Flüchtlinge. Unaufhörlich kommen weiter die Transporte Ausgewiesener aus dem Osten an. Millionen von Menschen! Und mit ihnen schreckliche Elendsbilder, Not und auswegslose Zukunftssorgen. Schätzungsweise werden diese grossen Transporte noch 3-4 Monate anhalten. Wenngleich manches darin geordneter wird, so ist die Not vor allem nun im Winter wieder erschütternd gross geworden und die Unterbringungsfrage der Zurückgeführten ist eins der katastrophalsten Probleme für Deutschland. Transporte aus Pommern kommen seltener. In Löcknitz b. Stettin sind es im zweiten Halbjahr 1946 vor allem Einzelpersonen, die herüber kommen. Die hauptsächlichsten Ausweisungen erfolgen aus Schlesien. Unter diesen Flüchtlingen sind besonders zu bedenken:

b) Die Hin- und Hergeworfenen. Welch eine Tragödie z.B. im vorigen Sommer auf dem Stettiner Bahnhof in Berlin, wo die Züge aus Pommern einlaufen, und wo diesen geplagten ausgeplünderten, erschöpften Menschen gesagt wird: „Fahrt nach Mecklenburg, dort findet ihr eine neue Heimat,“ und die dann von Mecklenburg wieder zurückgeschickt, in Berlin erneut erscheinen und nicht wissen, wohin. Auch der Magdeburger Bunker (jetzt leider nicht mehr vorhanden) kann darüber erschütternde Berichte geben. [ . . . ]

c) Die Heimkehrer. Es erübrigt sich, viel über die Not dieser uns allen lebendig vor Augen stehenden Menschen zu sagen. Dank des Hilfswerkes und dank viel treuer Hilfe durch die Gemeinden war es den B.M.n. hier oft am besten möglich, tatkräftige Hilfe zu zeigen. Vor allem im Westen. Sehr viel Unruhe, Sorgen und Not bereitete allen B.M.n.

d) Der Hungerverkehr. Man kann ihn ja nur zum kleinen Teil mit „Hamsterverkehr“ bezeichnen. Es sei erinnert an die traurigen Bilder der überfüllten Züge, an alle Aufregung, Rücksichtslosigkeit, Schreckensszenen und Unglücksfälle, die damit zusammenhingen.

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f) Die Aufgaben an der gefährdeten Jugend. In ganz Deutschland zeigt sich darin auf allen Bahnhöfen ziemlich das gleiche Bild. Die B.M. ist hier zu ganzem Einsatz aufgefordert. Im Westen haben die Ev. und Kath. B.M. zusammen einen Antrag zur Schaffung besonderer Hilfsmassnahmen für gefährdete Jugendliche und Kinder an die Reichsbahn gerichtet. Sie hoffen auch, durch Plakate die Eltern und Erwachsenen zum verantwortlichen Aufmerken und Helfen wachzurufen.

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4. Die Finanzierung der Arbeit ist sehr verschieden möglich geworden. Viele Ausgaben wurden durch Spenden gedeckt. Es bleiben aber grosse Probleme - vor allem in der genügenden Besoldung der hauptamtlichen Kräfte. Dies nimmt als Schwierigkeit besonders im Osten zu. Im Westen ist der B.M. 5 mal im Jahr eine Bahnhofssammlung genehmigt worden.

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Oberin L. von Schierstaedt
Geschäftsführerin




Quelle: ADW, ZBB 792; abgedruckt in Udo Wengst, Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland. Bd. 2: 1945-1949: Die Zeit der Besatzungszonen. Sozialpolitik zwischen Kriegsende und der Gründung zweier deutscher Staaten. Dokumente. Baden-Baden: Nomos, 2001, Nr. 110, S. 242-47.

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