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Hirtenbrief, beschlossen von der Konferenz der katholischen Bischöfe Deutschlands in Fulda (23. August 1945)

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An die Landbevölkerung richten wir die ernste Bitte, zu gerechten Preisen die Lebensmittel abzugeben und ihrer Ablieferungspflicht gewissenhaft nachzukommen, nicht aber ihre Produkte für sich allein oder für die benachbarten kleineren Städte zurückzuhalten. Mag die Not, die über uns gekommen ist, noch so groß sein, wir werden in Glaube und Liebe stärker sein als alles Erdenleid und alle Bosheit der Sünde. Gewiß werden die berufenen Männer öffentlicher Stellung Mittel und Wege finden, um die Behebung der gewaltigen Schäden der Kriegszeit in sozialem Ausgleich gerecht auf alle Schultern zu verteilen.

Liebe Diözesanen! Eine Zeit reiner Diesseitigkeit ist zusammengebrochen und hat uns ein ungeheures Trümmerfeld hinterlassen. Laßt uns diese Trümmer beseitigen vor allem in Buße und Rückkehr zum Herrn, unserem Gott! Laßt uns ans Werk gehen und neu bauen auf dem festen Fundament des Glaubens an den Dreieinigen Gott, in Unterordnung unter Gottes heiligen Willen! Lasst uns unseren schweren Weg durch Arbeit, Not und Sorge gehen mit dem Blick auf die ewigen Güter, die Gott uns verheißen hat für unseren treuen Dienst hier auf Erden. „Wir haben ja hier keine bleibende Stätte, wir trachten vielmehr nach der zukünftigen“ (Hebr. 13, 14).

Wie tröstet gerade dieser Gedanke uns Christen inmitten allen Leids: dieses Leben, so ernst, so verantwortungsvoll, ist doch nur ein Vorspiel, eine Prüfungszeit. Erst wenn diese Prüfungszeit vorüber ist, beginnt das eigentliche, das ewige Leben. Dann wird der allgerechte, allweise und allgütige Gott einem jeden vergelten nach seinen Werken, und nicht einmal ein Trunk kalten Wassers, den man dem Nächsten um Christi willen gereicht hat, wird vergessen sein! Dann werden wir gerichtet werden vor allem nach dem Maße, mit dem wir selbst das große Gebot der Liebe befolgt haben, ein Gebot, das gerade in diesen Zeiten der Not seine königliche Stellung über alle anderen Gebote geltend macht.

Der Aufblick zu den ewigen Wohnungen, die Gottes Vatergüte seinen Kindern bereitet hat, ist auch der schönste Trost für uns Christen, wenn wir an all die vielen denken, die der furchtbare Krieg uns geraubt hat, sei es, daß sie irgendwo in der weiten Welt ihr Grab gefunden haben, sei es, daß das Meer sie verschlungen hat, sei es, daß sie in der Heimat unter Trümmern begraben wurden. Allen steht der Eingang in Gottes Herrlichkeit offen, wofern sie im Frieden Christi gestorben sind, vielleicht noch im letzten Augenblick die Gnade der Versöhnung mit Gott fanden. Und selbst ihre Leiber wird der Herrgott zu finden wissen und wird sie am Jüngsten Tage ihnen unversehrt, verjüngt und verklärt, in ewiger Jugendschöne zurückgeben.

[GRÜSSEN SIE ZURÜCKKEHRENDE SOLDATEN]

Unser Gruß, unsre Mahnung und unsre Bitte richtet sich besonders an euch, ihr lieben Männer, die ihr aus dem Kriege heimkehrt und vor ein Nichts euch gestellt seht. Ihr ward bereit, für euer Volk zu sterben, nun seid bereit, für euer Volk zu leben! In dem Gottvertrauen, das im großen Zusammenbruch nicht mitversunken ist! Im Verein mit eurer Gattin, die euch schon angetraut ist, oder mit dem Mädchen, dem ihr am Altare des Herrn die Hand reichen werdet und deren kostbarste Mitgift Fleiß, Liebe zur Einfachheit und Verbundenheit mit Gott sind, werdet ihr ein christliches Heim bauen. Ihr werdet es euch zur Ehre rechnen, euren weniger glücklichen Kameraden, die als Versehrte zurückgekommen sind, in echter Kameradschaftlichkeit zur Seite zu stehen und ihnen vor allem behilflich zu sein bei der Umschulung zu einem neuen Beruf, damit sie recht bald wieder selbst ihr Brot verdienen können, in allem eingedenk des Apostelwortes: „Der eine trage des anderen Last, so werdet ihr das Gebot Christi erfüllen“ (Gal. 6, 2).

In seinem heiligen Namen segnen wir euch, die Jungen und die Alten, und flehen die Fülle göttlichen Trostes und göttlicher Kraft auf euch herab.

Es segne euch der allmächtige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist! Amen. Gegeben zu Fulda, am 23. August 1945.



Quelle: Beilage zu Nr. 5 (1945) des Amtsblattes der Erzdiözese München und Freising; abgedruckt in Keesing’s Archiv der Gegenwart vom 23. August 1945, S. 392.

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