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Interview mit Louis Armstrong: „Sie kommen durch den Eisernen Vorhang, um amerikanischen Jazz zu hören” (Dezember 1955)

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A: Ja, das stimmt.

F: Gibt es hinter dem Eisernen Vorhang Hot Clubs?

A: Die muss es geben. Das sind Anhänger dort. Das sind meine Anhänger. Gewehre und alles andere konnten diese Jungs nicht davon abhalten, herüber zu kommen, um Hot Jazz zu hören. Sie kommen von überall her. Es kommen viele von ihnen, von überall her, aber nicht alle von ihnen kommen und reden mit uns. Sie wollen keinen Ärger. Vielleicht sitzen sie nur da und sagen nichts, damit die Leute sie nicht bemerken. [ . . . ]

F: Welche Art von Jazz ist bei ihnen beliebt – die gleiche wie in den Vereinigten Staaten?

A: Ja, gute Musik. Solange es gute Musik ist, ist es egal, welche. [ . . . ]

F: Wie lief es, als Sie in Berlin gespielt haben?

A: Oh gut, gut. Da waren diese Berliner Jazzfans, die wollten, dass ich mit meiner Trompete diesem russischen Soldaten ins Ohr spiele, der irgendeine russische Rote Armee-Statue bewacht – wissen Sie, innerhalb West-Berlins – aber das habe ich nicht gemacht. Mir war klar, es könnte etwas sein, das den Russen wichtig ist und sie könnten das falsch verstehen. Alles, womit ich mich auskenne, ist die Trompete, nicht Politik und solche Sachen. Und ich glaube auch nicht, dass sie was Schlechtes im Sinn hatten. Aber die Russen hätten es falsch verstehen können. [ . . . ]

F: Könnte ein Mann wie Molotov, der sowjetische Außenminister, der noch nie Jazz gehört hat, sich dafür begeistern?

A: Vielleicht, falls er gute Musik mag. [ . . . ]

F: Lohnt es sich finanziell, nach Europa zu kommen?

A: Nun, wir kommen zurecht, aber wir denken nicht ans Geld.

F: Erhalten Sie irgendwelche Unterstützung von der Regierung, vom Außenministerium oder sonst jemandem?

A: Nein, keinen Pfennig. Sie denken darüber nach.

F: Halten Sie es für eine gute Idee für das Außenministerium, solche Dinge zu unterstützen?

A: Es war das erste, was ich sagte, als ich gelesen habe, dass Jesse Owens (amerikanischer schwarzer Leichtathletik-Star) durch ganz Europa reist. Wir sollten das gleiche tun. Jemand hat mich nach den Russen gefragt und vorgeschlagen, unsere Band solle das gleiche tun, was Jesse Owens macht. Stellen Sie sich nur mal vor, wenn sie diese Combo in große Stadien herumschicken würden, wo tausende Leute sie hören könnten – ich glaube, damit könnte man viel Gutes erreichen. Aber wer bin ich, sowas vorzuschlagen? [ . . . ]

F: Erzählen Sie uns über die Unruhen in Hamburg – was ist dort wirklich passiert?

A: Dort ist nichts passiert. Die Leute wollten lediglich, dass wir noch ein bisschen weiterspielen. Wir spielten eine Zugabe. Ich verbeugte mich ohne Hemd, aber sie wollten immer noch nicht gehen. Niemand wurde verletzt.

Ich sollte an dem Abend zwei Konzerte spielen, aber sie zerbrachen die Stuhlreihen – sie waren es leid, mit den Händen zu klatschen und fingen an, mit den Stühlen zu applaudieren. Und sie wollten immer noch nicht gehen – die Polizei versuchte, sie herauszuschaffen, um den Saal für das nächste Konzert frei zu machen. Aber sie weigerten sich zu gehen. Dann richtete die Polizei Wasserwerfer auf sie. Der Saal war verwüstet.

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