GHDI logo

Artikel aus der Zeit über das Hamburger „Existenzialistenkellerchen” (1952)

Seite 2 von 2    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Denn getanzt wird. „Laß die nur ihren literarischen Quatsch machen, das soll uns nicht stören“, sagte ein anderes Vorstandsmitglied, „am Sonnabend ist hier jedenfalls was los. Dann wird hier high-life gemacht“. High-life mit Bier und Coca-Cola, etwas anderes darf nicht ausgeschenkt werden und mit drei Bands. Denn wenn der Verein auch nur einen berühmten Dichter als Mitglied aufzuweisen hat (er heißt Hans Henny Jahn), so besitzt er doch schon drei Bands: eine pflegt den Dixieland-Stil wie Anno New Orleans, eine zweite den Bebop und die dritte macht Klaviermusik à la George Shearing.

Wenn die Bands spielen, wird der Club wach. Dann vibriert der Beton und draußen auf der Straße bleiben die Passanten stehen. Die zarten Mädchen werden durch die Luft gewirbelt und jeder muß herumtoben, soviel er kann. Dabei läßt sich beim Verschnaufen natürlich nicht vermeiden – wegen der spärlichen Sitzgelegenheiten – daß mal ein Mädchen auf dem Schoße ihres Dixiegalans ausruht. Aber alles in Ehren; denn der deutsche Jazz kennt keine Erotik. Der Ekstase, die er hervorruft, haftet etwas Abstraktes an: es ist keine Vitalität darin sondern Hysterie. Trotzdem: wer den ganzen Tag über langweilige Ziffern in noch langweiligere Bücher hineinschreiben muß, scheint sich hier zu erholen.

Übrigens kam als prominenter Gast gleich ein Franzose, Gilbert Domb aus Paris, der in St. Germain des Près selbst vor längerer Zeit einen Existenzialistenkeller gegründet hat. „Naturellement“, sagte er, „die Literatur, das ist wie bei uns“ (er spricht und versteht nicht ein einziges Wort Deutsch) „aber tanzen, tanzen können die steifen Hamburger leider gar nicht. C’est la poisse.“



Quelle: Wolfgang Menge, „Wenn der Club wach wird...“, Die Zeit, Nr. 49, 4. Dezember 1952, S. 14.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite