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Befehlshaber der Reichsjuden – Josel von Rosheim (ca. 1480-1554)

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Im Jahr 5302 (1541/42) kam ein Strafgericht über alle Juden Böhmens, einschließlich der heiligen Gemeinde Prag, durch die Schlangen, die feurigen Schlangen [Numeri (=4. Buch Mose) 21, 6]. Die Juden erlitten vier harte Strafen: Gefangenschaft, Tötung, Verbrennung und Kreuzigung, und schlimmer noch als all diese, eine bittere und hastige Vertreibung. Auf unzählige Bitten hin kam ich wie ein Bruder im Unglück, um mich anderen Männern der Tat aus der heiligen Gemeinde Prag anzuschließen in einem ernsten Appell an den König, möge er gepriesen sein. Und Gott, gesegnet sei Er, erblickte das große Fasten und Elend der Seelen, die Reue, Gebete und Mildtätigkeit, und Er ließ einen kleinen Rest übrig. Und letzten Endes, Lob sei Gott, war es mir vergönnt, die Kinder in ihr eigenes Land zurückkehren zu sehen, sich zu mehren und das wiederaufzubauen, was zerstört worden war. Allerdings teilten sie mir, als ich am 1. Tammus dieses Jahres [19. Juni 1547] bei ihnen in der heiligen Gemeinde Prag weilte, sowohl in Wort als auch Schrift mit, dass einige Splittergruppen in ihr korruptes Verhalten zurückgefallen wären und die Streitigkeiten wieder aufgenommen hätten. Also sprach ich zu ihren Herzen mit Worten des deutlichen Tadels, bis sie einwilligten, dem Pfad der Wahrheit und des Friedens zu folgen. Und so möge Sein Wille geschehen.

Im Jahr 5304 (1543/44) wurde für unsere vielen Sünden ein Strafgericht vollzogen an fünf Leuten—einem Mann, drei Frauen und einer Jungfrau—durch eine falsche Beschuldigung bezüglich eines Kindes, dessen Leichnam in den Boden getrampelt aufgefunden wurde. Sie folterten den Mann, die Frauen und die Jungfrau, bis sie an der Schwelle des Todes waren, doch, Lob sei Gott, weigerten sie sich, ein falsches Geständnis abzulegen. Und während dieser Zeit war ich einen Monat lang in der heiligen Gemeinde Würzburg und auch in Speyer tätig im Zusammenhang mit den kaiserlichen Briefen [an den Bischof von Würzburg]. Wir, das heißt, ich selbst und andere Leute, darunter kein anderer als unser Lehrer Rabbi Selkelin gesegneten Andenkens sowie Rabbi S., möge Gott ihn schützen und erhalten, wendeten eine enorme Summe an unzähligen Ausgaben für diese Sache auf. Es war dies Lösegeld für die Befreiung der Gefangenen. Die Jungfrau heiligte Gottes Namen, sie erduldete mehr als 32 Wochen schwere Folter. Gepriesen sei Gott, der sie errettete.

Im Jahr 5305 (1544/45) brach der Kaiser, möge er gepriesen sein, mit einem großen Heer auf, um den König von Frankreich zu bekämpfen, und er rückte bis zu einem Ort unweit von Paris vor (29). Und damals erließen die Räte eine Verfügung, die von allen Juden auf deutschem Boden einen Beitrag zu den Kriegsanstrengungen einforderte. Schließlich erreichten wir einen Kompromiss und willigten ein, ihm [dem Kaiser] über die zusätzlichen Geschenke im Wert von 1.000 Gulden weitere 3.000 Gulden zu 15 Batzen je Gulden und 400 Kronen für Getränke zu geben. Wir erhoben dreiviertel Gulden vom Hundert (30). Und am selben Tag, als ich bei der heiligen Gemeinde von Worms weilte, beabsichtigten alle Fürsten und Herzöge, die Juden auszuweisen und in diesem Zusammenhang an den Kaiser zu appellieren. Woraufhin ein guter Mann sich erhob (31), der in guter Erinnerung bleibt, und ihnen erklärte und zeigte, dass dies nicht zu machen sei: die Juden konnte man nicht aus ihrem Regierungsbereich entfernen, denn christliche Gesetze und Prinzipien verlangten, dass sie innerhalb des Herrschaftsgebiets des römischen Kaisers und König behalten werden als Zeichen und Beweis der Wahrheit des Christentums. Das böse Vorhaben für eine Gesamtausweisung wurde fallen gelassen, doch einzelne Juden sind aus dem Mainzer Herrschaftsgebiet (32) ausgewiesen worden, auch aus Esslingen und Landau, sowie seit jener Zeit aus anderen Orten. All dies rührt daher, dass wegen unserer vielen Sünden diese Generation nicht würdig ist und sich nicht ehrlich und rechtschaffen beträgt wie unsere Väter, so wie sie es uns gelehrt haben. Doch jene, die das Wort Gottes fürchten, haben sich errettet und folgen dem Pfad der Wahrheit und des Friedens.



(29) Soissons, das an der Straße nach Paris aus dem Nordosten lag.
(30) Eine Vermögenssteuer von 0,75%.
(31) Wahrscheinlich Kardinal Alessandro Farnese (1520-89), päpstlicher Gesandter.
(32) Das heißt, das Hochstift des kurfürstlichen Erzbischofs von Mainz.

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