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Die Notlage des alten Glaubens – Peter Canisius an Giovanni Kardinal Morone (1576)

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4. Die meisten Bischöfe sind infolge ihrer Unkenntnis des Kirchenrechts kirchlichen Zensuren verfallen; davon will ich gar nicht reden, daß ein guter Teil von ihnen nicht durch die Türe, sondern anderswie sich eingeschlichen hat. [ . . . ] Daher wird es am besten sein, wenn der Papst sie einmal von allen Zensuren freispräche oder wenigstens anordnete – da sie ja doch wieder bald in die gleiche Lage zurückfallen werden –, was jene tun sollen, die sich nicht von einem Bischof, der – wie sie wissen – mit kirchlichen Zensuren behaftet ist, weihen oder andere Sakramente spenden lassen wollen, da sie ja sonst denselben Strafen verfielen.

5. Vor allem in Österreich und Böhmen gibt es sehr viele Äbte und Ordensobere, die nie Mönche waren noch rechtmäßig gewählt sind. Als Laien werden sie von einem weltlichen Fürsten eingesetzt, ziehen sich ein Ordensgewand an und legen am gleichen Tag die Profeßgelübde ab, ohne vom Apostolischen Stuhl eine Bestätigung oder Dispens zu erbitten oder zu erhalten. Die Fürsten nehmen den größten Teil der Einkünfte für sich, und die als Obere eingesetzten Laien leben wie die Weltleute und erlauben auch ihren Untergebenen, so zu leben, und daher entstehen so viele Ärgernisse, die man kaum aufzählen kann. Ob es nicht ratsam wäre, daß der Heilige Vater mit den Fürsten verhandelte, damit sie in Zukunft derartige Ernennungen bleiben lassen oder daß wenigstens das Präsentationsrecht nur unter der Bedingung zugestanden werde, daß sie sich an die Forderungen des Trienter Konzils halten?

6. Selten visitieren die Bischöfe ihre Diözesen, noch seltener erreicht eine Visitation einen Nutzen. Dies kommt vor allem daher, daß sie nicht wissen, was zu verbessern und was anzuordnen ist, oder weil ihnen der nötige Eifer und die geistige Schwungkraft zur Erreichung des Notwendigen fehlt. Daher wäre es gut, wenn der Heilige Vater darüber wenigstens mit einigen Bischöfen verhandelte und gelehrte Männer auswählte, die der Aufgabe einer Visitation gewachsen und voll Eifer für Gott sind und sich durch Lauterkeit ihres Lebens auszeichnen. Diese sollten die Vollmacht des Apostolischen Stuhles haben, von den meisten Zensuren und kirchlichen Strafen loszusprechen, und mit den Bischöfen oder deren Generalvikaren die Diözesen und möglichst auch die Klöster visitieren, eingeschlichene Mißbräuche abstellen und die außer Übung gekommenen heiligen Gewohnheiten und Gebräuche bezüglich Kleidung und Tonsur der Geistlichen, Schmuck der Kirchen, Feier der heiligen Messe und der Spendung der Sakramente wieder einführen. Daraus wird man lernen, wie die Visitation einer Diözese durchzuführen ist, und in Zukunft werden dann öfters derartige Visitationen mit Erfolg abgehalten. Viel wird zu diesem Ziel beitragen, wenn auf Befehl des Papstes eine Anleitung zur Visitation einer Diözese verfaßt würde, die man dann den einzelnen Bischöfen Deutschlands zuschicken sollte. Um die Visitation durchzuführen und die Anleitung zu verfassen, ist es aber vorher notwendig, von erfahrenen Männern sich vollständige Kenntnis über die verderblichen Mißbräuche zu verschaffen, die sich in die Ordenshäuser und den Klerus eingeschlichen haben. Es ist nicht leicht, diese alle aufzuzählen.

7. Großer Schaden erwächst daraus, daß allenthalben ohne jede Auswahl ganz Unwürdige geweiht und als Pfarrer eingesetzt werden. Grund dafür ist der Mangel an Geistlichen und die Unwissenheit und Nachlässigkeit der Prälaten. Der ersten Wurzel des Übels wird leicht mit der Errichtung der Seminare begegnet, die zweite wird dadurch behoben, daß auf Geheiß seiner Hlt. eine Prüfungsordnung für Weihekandidaten und für solche, die als Pfarrer eingesetzt werden sollen, herausgegeben und den Bischöfen übersandt wird.

8. Da wir aus der Werkstätte Satans täglich viele Bücher erscheinen sehen, die mit ihrem Gift das arme Volk verführen, wird es von großem Nutzen sein, wenn vom Apostolischen Stuhl einige ausgezeichnete Männer ausgewählt werden, die die Bücher der Häretiker, die größeren Schaden anrichten, vor allem die Institutionen Calvins und die Verurteilung des Trienter Konzils durch Chemnitz widerlegen und bekämpfen sollten. Zu diesem Zweck wird es auch ganz entsprechend sein, wenn vom Papst eine Druckerei errichtet oder mit der Herausgabe betraut würde.

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