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Unter den Osmanen – Ogier Ghiselin de Busbecq in Istanbul (1552-62)

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Denselben Plan wie Fabius Maximus hat auch Kaiser Ferdinand eingehalten: in Erwägung der eigenen Kräfte und derer Suleimans erachtete er es für die ungeeignetste Führung, wenn man das Schicksal herausfordere und den Stoß eines solchen Feindes in offener Schlacht auffange. Das nächste war hier wie beim Ansturm eines geschwollenen Flusses, ihn mit Wällen, Gräben und sonstiger Wehr aufzuhalten und zurückzudrängen, und darauf wandte er alle Mühe. Es sind nun ungefähr vierzig Jahre, seit Suleiman zu Beginn seiner Regierung Belgrad genommen, Ungarn durch den Fall König Ludwigs zerschmettert und daraufhin die Einnahme nicht nur dieser, sondern auch weiterer Provinzen sich zum Ziele gesteckt hat. In dieser Hoffnung hatte er Wien belagert, in wiederholtem Kriege Güns [bei Steinamanger] in seine Gewalt gebracht, Wien zum zweiten Male, zwar von ferne, bedroht. Aber was erreichte er mit dem ungeheuren Waffenaufwand, mit den grenzenlosen Mitteln und den unzähligen Truppen? nur daß er fast an derselben Stelle Ungarns hängen geblieben ist, die er damals genommen hat. Er, der gewöhnt war, Riesenreiche in Einem Feldzug zu erledigen, hat halbbefestigte Burgen oder winzige Städtchen als Preis seiner Feldzüge davongetragen und teuer genug das erkauft, was er nach und nach von dem weiten Umfang Ungarns abgerissen hat. Wien hat er wohl gesehen, aber kein zweites Mal. Drei Dinge, sagt man, leben in Suleimans Wünschen: daß er den Bau seiner Moschee (ein wahrhaft prachtvolles und glänzendes Werk) vollendet sähe; daß er durch Wiederherstellung der alten Aquädukte Wasser in Fülle nach Konstantinopel brächte; und daß er Wien eroberte. In zwei Punkten hat er seinen Wunsch erreicht, im dritten blieb er hängen und wird es hoffentlich bleiben. So pflegt er denn Wien mit keinem anderen Namen zu betiteln als „seine Schmach und Schande“.

Aber ich kehre zu Ferdinand zurück, um ihm seinen unzweifelhaften Platz unter den vorzüglichsten Feldherrn zu sichern. Ohne auch nur entfernt den Beistand zu finden, den ein solches Unwetter erforderte, gab er sich doch nicht auf, sondern hat mit hervorragender Geistesstärke all die Jahre schon dem Druck des ungemeinen Feindes standgehalten. Ihm gebührt größeres Lob dafür, daß er ein gut Teil Ungarns für bessere Zeiten erhalten hat, als vielen anderen wegen zahlreichen Triumphen, die sie im Überfluß aller glücklichen Umstände über Könige und Völker gefeiert haben. Je mehr ihm in der Zeit der Not alles abging, umso heller leuchtete sein Mut ... Wahrhaftig, es gleicht bald einem Wunder, daß sich das offene und ausgedehnte ungarische Reich mit seinen alten Zwietrachten so lange hat verteidigen lassen und noch nicht unter das Joch dieses mächtigsten Feindes geraten ist. Und das ist immer wieder durch Gottes einzige Güte, immer wieder durch des hochweisen Fürsten unendliche Mühe und schwerste Sorgen erreicht worden. Wann folgte ihm bei diesem Werke auf eine große nicht die noch größere Schwierigkeit? Der Feind steht vor Augen, die Freunde sind fern; zu spät, weither kommen die Hilfstruppen seines Bruders Karl; der Hilfeleistungen müde, wenn auch dem Brande am nächsten, ist Deutschland; die Erblande sind durch Auflagen erschöpft; taub für die Beistand heischende Stimme sind die Ohren der vielen christlichen Fürsten, die jeden Handel lieber betreiben als den, der sie am meisten anginge. So hat er bald mit eigenen Kriegskräften, mit ungarischen, österreichischen und böhmischen Truppen, bald mit den Kräften des Reiches, bald mit Hilfstruppen aus Italien oder Spanien unter ungeheuren Kosten durchgehalten. Er hat die in einer Breite von fünfzehn Tagemärschen offenen Grenzen Ungarns durch ständige Besatzungen gesichert. Denn jederzeit muß er Soldaten im Felde halten, auch wenn Stillstände sind (denn auch solche gibt es bisweilen) und es verdrießt ihn nicht, wenn der Anzug des Tyrannen zu befürchten ist und die Lage keinen anderen Ausweg übrig läßt, ihn durch Gesandtschaften und Geschenke zu besänftigen, um den verheerenden Sturm von den armen Ungarn abzuwenden. — —

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