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Unter den Osmanen – Ogier Ghiselin de Busbecq in Istanbul (1552-62)

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Das Schwarze Meer nicht zu besuchen, wenn die Möglichkeit einer Fahrt dahin gegeben war, hätte gar zu große Lässigkeit bedeutet, da es doch den Alten nicht minder lohnend galt, den Pontus zu sehen, als nach Korinth zu fahren. Deshalb fuhr ich in heiterster Schiffahrt dorthin und ward in einige Lust- und Erholungshäuser des Sultans eingelassen. In deren einem sah ich auf einer Flügeltür den bekannten Kampf Selims mit dem Perserkönig Ismael [zu Tschaldiran 1514] in eingelegter Arbeit malerisch dargestellt. Ferner sah ich mehrere Gärten der Sultans in den lieblichsten Tälern, die der Kunst das Wenigste, der Natur fast alles verdanken.

O ihr Häuser der Nymphen! ihr Throne der Musen! ihr wahren Stätten vergeistigter Einsamkeit! Wahrlich, sie scheinen — ich habe es schon einmal gesagt — jetzt zu trauern und sich nach Arbeit und Pflege der Christen zu sehnen. Und noch vielmehr Konstantinopel selbst, ja das ganze Griechenland! Einst war es blühend, jetzt beugt es sich in unwürdiger Knechtschaft; einst war es Finderin aller guten Künste und aller freieren Lehre, jetzt scheint es die Menschlichkeit, die es uns geschenkt hat, zurückzufordern und um der gemeinsamen Heiligtümer willen gegen die skythische Barbarei um Hilfe zu flehen. Aber umsonst; in anderer Richtung geht der Sinn aller christlichen Fürsten. Denn nicht bedrücken die Türken die Griechen mit schwererer Frohn, als uns die Laster beherrschen, Luxus und Völlerei, Trägheit und Lust, Hoffart und Ehrgeiz, Habsucht und Haß, Mißgunst und Neid: die halten unsern Sinn so gebannt und begraben, daß wir nicht mehr fähig sind zum Himmel aufzuschauen und Leuchtendes zu ersinnen und zum Erhabenen zu streben. Wohl sollten Frömmigkeit und Pflicht uns zur Hilfe treiben, wenn unsere Gefährten niedergeworfen sind: und wenn weder des Ruhmes noch der Ehre Herrlichkeit den schlaffen Sinn zu entflammen vermochte, hätte doch die Nützlichkeit, die heute am meisten gilt, uns bewegen sollen, diese berühmten, an Vorteilen und Möglichkeiten so reichen Länder den Barbaren zu entreißen und lieber in unserm Besitz zu sehen als in ihrem. Jetzt sucht man über unermessene Meeresbreiten hin Indien und die Antipoden heim — freilich, leicht ist dort der Raub und fett die Beute, ohne Blut nimmt man sie den truglosen, einfältigen Völkern ab: man redet von Frömmigkeit, man sucht nach Gold. Sehr anders unsere Ahnen — die suchten nicht, als ob sie Krämer wären, die Länder auf, wo es am meisten Gold gab, sondern wo Tugend und Pflicht am meisten nach ihnen verlangten. Nicht ein Vorteil, sondern die Ehre belohnte sie für Arbeit und Gefahren des langen Auszuges; aus ihren Kriegen kam man nicht reicher, sondern ruhmvoller nach Hause zurück. Aber dies nur für dich; ein anderer hält es vielleicht für Frevel, wenn an der Gesittung unseres Jahrhunderts etwas ausgesetzt wird. Aber wie dem auch sei, ich sehe die Pfeile zu unserm Verderben schon geschliffen; und ich fürchte, es wird kommen, wenn wir es für den Ruhm nicht mögen, daß wir für unser Leben kämpfen müssen.

Ich gehe jetzt zum Pontus zurück, den die Türken Caradenis nennen, das heißt Schwarzes Meer. Es geht durch schmale Schlünde in den thrakischen Bosporus ein; hier, wo es durch die einspringenden Vorgebirge zahlreiche Wirbel und Biegungen bildet, reicht es in einer Tagfahrt nach Konstantinopel hinab; dann bricht es durch ähnliche Engen ins Marmarameer. Mitten in der Mündung, wo es in den Bosporus einfließt, steht ein Fels mit einer Säule, auf deren Basis der Name eines Römers Oktavian, wenn mir recht ist, lateinisch eingeschrieben ist. Weiter ragt am europäischen Ufer ein Turm auf, der nachts den Schiffern Licht zuwirft, Pharus geheißen. Nicht eben weit von dort rinnt ein Flüßchen ins Meer, in dessen Bett wir Steine von nicht minderer Art als Onyx und Sardonyx aufgelesen haben: geschliffen gäben sie gewiß denselben Glanz. Wenige Meilen von der genannten Mündung zeigt man die Meerenge, wo Darius gegen die europäischen Skythen sein Heer hinübergeschifft hat. Ungefähr in der Mitte zwischen den beiden Mündungen des Bosporus liegen zwei Burgen, die eine in Europa, die andere gegenüber in Asien. Diese letztere haben die Türken schon lange vor der Eroberung Konstantinopels besessen; die andere wurde mit ihren starken Türmen von Mahomet gebaut, wenige Jahre bevor er Konstantinopel erstürmte. Heute gebrauchen die Türken sie als Gefängnis vornehmer Gefangener. [ . . . ]

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