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Der Krieg fängt an – Prager Fenstersturz (Mai 1618)

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Darnach alsbald haben sie die Herren selbst ihre Hand gewalttätigerweis an die oft gemelte zwei Herren furiose angelanget, also dunckt mich, den Herrn Slawata, der Graf Thurn und der Joachim Andres Graf Schlick samt anderen etlichen und den Herrn von Martinicz der Herr Wilhelm Popel, Hans Litwin v. Rziczan, Herr Ulrich Kinský, Herr Albrecht Smirzický und Herr Paulus Kepler mit Gewalt angegriefen, sie stark hin und wider gerissen und durch die ganze Böhmische Canzlei anfahend von dem Ofen bis zu dem andren Fenster gegenüber schreiend: „Jetzt werden wir uns gegen diesen unsern Religionsfeinden rechtschaffen verhalten.“ In welchen Ziehen hat Herr von Martinicz laut gesagt: „I nu, weils da um Gottes Willen und katolischer Religion und auch Kaisers Willen zu tun ist, so wollen wir für sie alles gern und geduldig leiden“ und obwohlen sie beide ernstlich vermeinet, als man sie zu der Tür hinausführen und etwann in Arrest aufhalten wölte, da sie aber die Tür fürüber passiert und gleich vor sich das Fenster aufmachen sehen, so haben sie beide fluchs nur um Vergünstigung eines Beichtvaters, dem sie alsobald beichten wollten, gar hoch um die jüngste Gerechtigkeit Gottes unaufhörlich gebeten. Darauf aber die Standespersonen sub utraque ungeacht solches ihres inständigen Bittes geantwortet: „Ja, gleich werden wir auch die schelmischen Jesuviten noch hereinführen.“

Und haben also die vorgemelten Personen selbst, erstlich den Herrn v. Martinicz, indem er sich Gott dem Allmächtigen mit diesen Worten „Jesu, fili Die vivi miserere mei, Mater Die memento mei“ treulich befehlend, in schwarzen, kannavassenen Mantl samt Rapier und Dolch, aber ohne Hut, welcher mit schöner von Gold und Edelsteinen gezierter Schnur ihm aus der Hand weggerissen, mit blosen Haubt voran zum Fenster hianus in den, gar bei 30 Ellen tiefen und steinerigen, Schloßgraben jammerlich gestierzet und ausgeworfen. Als er aber allzeit oft nacheinander die heiligsten Namen „Jesu-Maria“ stark ausgeruft, hat ihm solcher erschröcklicher Wurf und Fall, aus sonderbahrer, durch vornehmste unser lieben Frauen Vorbitte erlangten Gnade und Barmhertzigkeit Gottes, nicht allein an leben nichts, sondern auch an der Gesundheit gar wenig geschadet. Wie dann insgemein gesagt, auch von etlichen frommen, gottesfürchtigen Leuten – so selbst dieses deutlich gesehen haben sollen – vor gewiß standhaftig bekennet wird, daß oberhalb des am allerersten hinunterfallenden Herr v. Martinicz in der Luft die allerseeligste und lobwürdigste Jungfrau Maria, Mutter Gottes, als seine vortreffliche Patronin erschienen, welche ihm mit ihrem ausgebreiteten und unterlegten Mantl in dem Fall gleichsam aufgehalten, desto sanfter zu der Erden mählich fallen lassen und also von gewissen Tod beim Leben und Gesundheit gnädiglich zu erhalten geholfen hat. Welches, obwohl er selbst Herr v. Martinicz nicht so deutlich gesehen hat, nichts desto weniger dessen tut, er sich gar wohl erinnern, daß gleich in seinem Hinunterfallen und Anrufung beiden heiligsten Namen, weil er zu gewißer und jeder Zeit längst gewünschter heiliger Märtirercronenerlangung unverzweifentliche starke Hofnung gehabt, ihm wahrhaftig vorkommen ist, als wann sich der allerhöchste Himmel darinnen er in die ewige Gloria alsbald eingehen sollte, recht aufgemacht hätte.

Darnach dem Herrn Slavata, so auch Gott dem Herrn andächtig abgeruft sagend „Deus propitius esto mihi peccatori“, haben sie erst die Finger an seiner rechten Hand, mit der er sich etwan angehalten, sehr bis auf Blut zerschlagen und also immer fort eben durch dasselbige Fenster ohne Hut, in schwarzem, samettern Mantl und mit Rapier hinabgeworfen, welcher alsbald er auf die Erden gefallen, hat sich noch wohl um 8 Ellen weiter und tiefer, als der Herr v. Martinicz, in den Graben hinuntergewältzet und gar sehr mit dem Kopf in seinem schweren Mantl verwickelt. Letztlich noch der dritte, Herr M. Philipus Fabricius, röm. Kais. Mt Rat und des Kgr. Böheim secretarius, meistenteils durch Beförderung des Herrn Albrechts Hansen Smirzitský, von dem er auch zuvor in seinem Schreiben auf allerlei Manir geplaget worden, gleichfalls von ihnen in Mantl und ohne Hut zu diesem Fenster, da er auch fleißig zu Gott gerufen – Deus est propitius animae meae – in den Graben geworfen worden, dessen der Ehrenfried Berbisdorf, unter etlichen anderen, der vornehmste Exekutor gewesen, welcher ihm auch vorher mit Raufen seiner Haar aus dem Kopfe und im Bart nicht zufrieden gelassen.



Quelle: Documenta Bohemica Bellum Tricennale Illustrantia. Tomus II. Der Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Der Kampf um Böhmen. Quelle zur Geschichte des Böhmischen Krieges (1618-1621). Academia Prag. Verlag Hermann Böhlaus Nachf.: Wien-Köln-Graz. Pragae, MCMLXXII, S. 42-49.

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