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Reform der Reichskirche – Regensburger Reformordnung (7. Juli 1524)

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(B) Ordnung zur Reform

Nemlich, das der verdambten ketzerey (die dem gemainen man zuo erlangung aines freyen willens angenem und im schein der evangelischen lieb falschlich fürgehalten oder außgelegt) nit ain klaine ursach gegeben worden ist, zum tayl durch das unordenlich wesen und leben der gaistlichen, zum tayl das die mißbreüch der hayligen gesetz und ordnungen der gaistlichait nit lenger haben zuogesehen werden mügen.

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Nachdem die seel am maysten von dem wort lebt, so auß dem mund Gotes kumpt, aber dasselb nit allenthalben oder von allen zuo predigen nutz bryngt, wie dann der apostel Paulus sagt, der da spricht: „Wie werden sie predigen, nur allain sy werden dann gesandt.” Demnach setzen und ordnen wir, das niemandts (er sey ain ordensman oder aber wölcher gestalt exempt) gebürn soll, das evangelium zuo lernen, nur allain, er sey dann zuovor von dem ordinari oder seinen vicari in seinem leben und wesen gleycherweyse als in seiner kunst probiert. Und so die prediger brieflich urkundt, durch offen brief, die inen (ausserhalb des schreybers belonung) gantz umbsonst gegeben werden sollen, erlangt und also gesandt und probiert sein, sollen sy das evangelisch werck handlen, recht, mäßlich und lautter, die puncten, so etwas verborgen und unlauter oder den verstandt zuo begreyffen beschwerlich sein möchten, nit auf ain neuen oder falschen sinn, sonder nach leer und außweysung der hayligen väter, die von der kirchen angenommen sein, und sonderlich Cipriani (1), Crisostomi (2), Ambrosii (3), Hieronymi (4), Augustini (5) unnd Gregorii (6), lernen und außlegen, auch allen fleyß fürkeren, damit sy nit für die warhayt traum oder fabeln, anstat der sichern unsicher, für angenommen unangenommen, vorlongst außgetilgt und durch die rechtglaubig kirchen verdampt sachen sagen und predigen, und sölch ir predig mit aller beschaidenhait thuon, damit sy nit in schmachwort oder lesterung fallen, auch die stat ir predig durch des volck ergernuß nit geunert werde. Demnach soll der ordinari [Bischof] etlich treffenlicher leer verstendig verordnen, die sich durch das gantz bistumb erkundigen, wöllich am teuglichisten sein, die evangelisch leer zuo predigen und den lutherischen mißglauben außreütten, auch fürsehung thuon, damit das volck in dem christenlichen gesetz recht underweyst und der, so davon stuonde (damit er ander nit auch an sich ziech), gebürlich abgewendet werd.

Dann der gotsdienst sol gehalten und volbracht werden dermassen und in der ordnung, wie der durch hend der hayligen vätter uns gegeben und durch unser vorfordern gehalten worden, mit meßhalten, seelämptern, siben tagzeytten und andern götlichen lobgesangen und löblichen diensten.

Demnach ermanen und ersuchen wir all und ainen yeden, die in gaistlichen standt getretten sind, damit sy daz leben fuoren, so inen ir orden [Stand] auflegt und Christus unser seligmacher begert, da er spricht: „Also erleücht eur liecht vor den menschen, damit sy eure werck gut sehen und glorificiern eurn vatter, der da ist in hymeln“, (7) auch das sy in ainer zymmlichen klaydung geen, die da Paulus beschriben hat, (8) deßhalben sol ain yeder prelat sich sonderlich befleyssen, damit die, denen er in gaystlichem orden fürgesetzt, nit klayder tragen mit prämen oder farben, sonder sich langer klaydung gebrauchen, kain waffen tragen, nur allein so sy uber land ziehen, ire pärt oder har nit züglen, ir coron [Tonsur] oder platten geschorn tragen und mit allen fleyß sich hieten, damit sy den layen durch ungebürliche klaydung nit ergernuß geben, wie dann in den gaistlichen rechten auch fürgesehen ist.



(1) Caecilius Cyprianus (200/210–258), Bischof von Karthago und kirchlicher Lehrer. [Fußnoten stammen aus: Albrecht P. Luttenberger, Hg., Katholische Reform und Konfessionalisierung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2006, S. 215-25.]
(2) Johannes Chrysostomos (344/354–407), zunächst Mönch und Eremit, dann Prediger und Priester in Antiocheia, später Bischof von Konstantinopel, Kirchenlehrer.
(3) Ambrosius (339–397), Bischof von Mailand und Kirchenlehrer.
(4) Sophronius Eusebius Hieronymus (ca. 347–420), Theologe, Sekretär des Papstes Damasus I., später Mönch in Bethlehem, Kirchenlehrer.
(5) Aurelius Augustinus (354–430), Bischof von Hippo und Kirchenlehrer.
(6) Papst Gregor I. der Große (ca. 540–604), Kirchenlehrer.
(7) Vgl. Evangelium des Matthäus 5, 16.
(8) Vgl. Paulus, 1. Korintherbrief 4, 11.

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