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Die Marburger Religionsgespräche – Bericht eines lutherischen Augenzeugen (1529)

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Alls nun Zwinglj den spruch, Das flaisch ist kain nutz, nach seiner art, wie er auch In all sein püechern het fürgetragen, hat Im Luther mit fleyß ongeuerlich dise maynung geanntwurt. Zum ersten, Er gestee Im gar nicht, Das Cristus daselbst von seinem flaysch rede, sonnder von vnnserm sündtlichen und flayschlichen wesen, wie sonst der schrifft prauch ist vnd er In seinem püchlein fleyssig gelert vnd beweyst het. – Zum andern, wenn gleich Christus von seinem aygen flaysch geredt het, gestünd er nicht, das darumb volget vnd recht geschlossen were, das flaysch ist kain nutz, darumb ists nicht da, er wolt sonst wider den Zwinglj auch schliessen, das prot ist kain nutz, darumb ists nicht da, dessgleichen von der tauff, das wasser ist kain nutz, darumb ists nicht da, welches Zwinglj selbst greyffen müste, das es nit recht geschlossen were, Sonnder das wort, dareyn das flaysch vnd pluet gefaßt, eingesetzt vnnd zu nyessen beuolhen were, das machet nutz alles, das sonst vnnutz were, wann das wort nicht dabey were, vnd vnnutz pleybt, wann man des worts nicht warnympt oder nicht glaubt etc.

Also ist vber disem spruch der halbe tag zugepracht, vnnd nach mennigklichs vrteyl durch Luthern erstritten, auch bey der anndern parthey, das der spruch nichts zur sachen diene, vnd sy nichts darmit beweysen können.

Nach mittag aber, als wir auch darbey waren, Trueg Zwinglj den spruch für zun Hebreern am 5. [Hebr. 4, 15]. der versucht ist allennthalben nach der gleichnus on sünde, Vnnd zog darzu das zun Römern am 8. [Röm. 8, 3] an, Er senndet seinen sone In der gestallt des sündelichen flayschs. Vnnd das zun Philippern am 2., [Phil. 2, 7] Er hat die gestallt aines knechts angenomen, ist worden gleich wie ain annder mensch, vnd an geperden erfunden als ain mensch etc., der maynung also daraus zu schliessen, Christus ist vnns aller ding gleich worden, on die sündt allain ausgeschlossen, vnnsere leyb aber seyen an ainer stat allain, darumb muß auch der leyb Christi an ainem ort allain sein vnnd kan nicht an vilen orten sein Im abenntmal.

Darauff antwurt Luther lachendt also, soll sich dann das wörtlein gleichnus oder gestallt dahin erstrecken, das es alles Inn sich schlies one die sündt allain, so ists mir ain seltzam ding, dann ich hab ein weyb, das ist kein sündt, so müeßt Christus auch ein weyb gehabt haben etc., doch laß ich das faren, Vnd sag also darzu, Wann es gleich war were, das vnns Christus In allen dingen on die sündt allain müeste gleich seyn, so gestee ich doch das auch nicht, das vnnser leyb eben an ainem ort allain sein müessen, dann got ist almechtig, er kan auch wol meinen leyb on ain stat erhalten, das er gar In kainer stat ist, er kan auch wol ainen leyb mer dann ann ainem ort halten, In ainer stat oder on ain stat, wie er will, vnnd bat darauff den Zwinglj mit ernstlichen wortten, Er wölt nicht so kynndisch von der götlichen Mayestat vnd allmechtigkait gedencken vnnd reden. Dann got rueff dem, das nicht sey, das es sey etc. [Röm. 4. 17]

Zwinglj antwurt vnd bekennt, das got söllichs wol thuen konnt, wann er wolt, er thet es aber nicht, das beweyse er also: die heylig schryfft zaiget vnns Christum allweg an ainem sonndern ort, alls In der kryppen, Im Tempel, In der wüeste, am Creutz, Im grab, zur gerechten des Vatters, darumb vermainet er, er müest allweg an ainem sonndern ort sein, darzu saget ich*, mit disen sprüchen könnt man nicht mehr beweysen, dann das Christus zu ettlichen zeyten an sondern orten gewest were, das er aber allweg vnd ewigklich an ainem sonndern ort oder gemessen stat were, Ja sein müeste vnd nicht one stat oder an vil steten, natürlicher oder übernatürlicher weyse sein könnte, wie sy fürgeben, das wurd mit diesen schryfften nymmer mer bewysen etc. Darnach saget Zwinglius, ich hab bewysen, das Christus an ainer stat ist gewesen, beweyset Ir herwiderumb, das er gar an kainer oder aber an vilen steten sey. Antwortet Luther, Ir habt am anfang euch erpotten, Ir wöllet beweysen, das es nicht sein könne vnd vnnser verstanndt falsch sey. Das seyt Ir schuldig zu thun vnd nicht beweysung von vnns fordern, dann wir sein euch kaine schuldig.


*Dieses Eingreifen Osianders ist sonst nicht erwähnt.

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