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Vom Reformer zum Revolutionär – Thomas Müntzer, Die Fürstenpredigt (13. Juli 1524)

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Nebukadnezar vernahm die göttliche Weisheit durch Daniel. Er fiel nieder vor ihm, nachdem ihn die kräftige Wahrheit überwunden hatte, aber er wurde bewegt wie ein Rohr vor dem Winde, wie das 3. Kapitel beweist. Desgleichen sind es jetzt über die Maßen viele Menschen, die das Evangelium zwar mit großen Freuden annehmen, wenn es so fein freundlich zugeht (Luk. 8); aber wenn Gott solche Leute auf den Brenntiegel oder auf das Feuer der Bewährung setzen will (1. Petr. 1), ach, dann ärgern sie sich am allergeringsten Wörtlein, wie Christus im 4. Kapitel des Markus-Evangeliums verkündigt hat. In diesem Maße werden sich ohne Zweifel viele unversuchte Menschen an diesem Büchlein ärgern, drum sage ich mit Christo (Luk. 19 und Matth. 18) und mit Paulo (1. Kor. 5) und mit Unterrichtetsein über das ganze göttliche Gesetz, daß man die gottlosen Regenten, besonders die Pfaffen und Mönche töten soll, die uns das heilige Evangelium eine Ketzerei schelten und gleichwohl die besten Christen sein wollen. Da wird die heuchlerische, gedichtete Güte über die Maßen ergrimmt und erbittert. Da will sie dann die Gottlosen verteidigen und sagt, Christus habe niemanden getötet etc. Und sie will die Freunde Gottes ganz jämmerlich schlichtweg dem Winde befehlen. Da ist die Weisheit des Paulus (2. Tim. 3) erfüllt: In den letzten Tagen werden die Liebhaber der Lüste wohl eine Gestalt der Güte haben, aber sie werden ihre Kraft verleugnen. Es hat kein Ding auf Erden eine bessere Gestalt und Larve als die gedichtete Güte. Darum sind alle Winkel voll von eitel Heuchlern, unter denen keiner so kühn ist, daß er die rechte Wahrheit sagen könnte.

Darum, daß die Wahrheit recht an den Tag gebracht werden kann, müßt ihr Regenten (Gott gebe, ihr tut es gerne oder nicht) euch nach dem Schluß dieses Kapitels richten, daß der Nebukadnezar den heiligen Daniel zum Amtmann eingesetzt hat, auf daß er gute rechte Urteile vollführen möchte, wie der Heilige Geist sagt (Psalm 57). Denn die Gottlosen haben kein Recht zu leben, nur was ihnen die Auserwählten gönnen wollen, wie im 23. Kapitel des Buches des Auszuges geschrieben steht.

Freuet euch, ihr rechten Freunde Gottes, daß den Feinden des Kreuzes das Herz in die Hosen gefallen ist. Sie müssen recht tun, wiewohl es ihnen niemals geträumt hat. Wenn wir nun Gott fürchten, warum wollen wir uns vor losen, untüchtigen Menschen entsetzen? – Numeri 14, Josua 11 – Seid nur keck! Der wird das Regiment selber haben, dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden (Matth. am letzten), der euch, Allerliebste, ewig bewahre. Amen.



Quelle der modernen deutschen Übersetzung aus den Neuhochdeutschen: Thomas Müntzer, Schriften, liturgische Texte, Briefe, herausgegeben von Rudolf Bentzinger und Siegfried Hoyer. Berlin: Union Verlag, 1990, S. 64-86.

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